Rz. 377
Nach einem Grundsatzurteil des BGH vom 11.2.2004 unterliegen die gesetzlichen Regelungen über den nachehelichen Unterhalt, den Zugewinn und den Versorgungsausgleich grds. der vertraglichen Dispositionsfreiheit. Der BGH betont, es gelte grds. die Ehevertragsfreiheit, die ihre Grenze erst dort finde, wo die Vereinbarung den Schutzzweck der gesetzlichen Regelung unterlaufe.
Hinweis
Die Ehevertragsfreiheit hat weiterhin Bestand, wenn auch mit bestimmten Schranken, die sich insb. auf den Kernbereich der Scheidungsfolgenregelungen beziehen.
Rz. 378
Das BGB verzichtet in §§ 1353, 1356 BGB bewusst auf ein gesetzliches Leitbild der Ehe und kennt keinen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen. Damit können die Ehegatten in eigener Verantwortung über die Gestaltung ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft und damit insb. über die Rollenverteilung hinsichtlich Erwerbsarbeit, Familienarbeit und Kindererziehung entscheiden.
Das Scheidungsfolgenrecht hingegen bezieht sich nach wie vor auf einen bestimmten Ehetyp, vorwiegend die Hausfrauenehe. Es bedarf daher nach Ansicht des BGH zwingend der Vertragsfreiheit, damit die Ehegatten diese Scheidungsfolgen ihrem gelebten Ehetyp anpassen können. Ansonsten würde den Ehegatten die Freiheit der Ehegestaltung genommen. Das Verlangen nach Abänderung der Scheidungsfolgen im Hinblick auf eine Anpassung an die gelebte Ehekonstellation ist daher zulässig. Die im BGB ausdrücklich geregelten Möglichkeiten zur ehevertraglichen Anpassung der gesetzlichen Scheidungsfolgen in § 1585c BGB für das Unterhaltsrecht, § 1408 Abs. 1 BGB für das Güterrecht und §§ 6 ff. VersAusglG für den Versorgungsausgleich zeigen, dass das Scheidungsfolgenrecht gerade kein zwingendes, der Parteidisposition entzogenes Recht darstellt.
Rz. 379
Grenze der zulässigen Regelung ist eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung, die für den belasteten Ehegatten unzumutbar erscheint. Für die Beurteilung dieser Frage bedarf es einer Gesamtbetrachtung der Vereinbarung, der Gründe für ihren Abschluss, der Umstände ihres Zustandekommens und der geplanten und umgesetzten Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse.
Wer also gehofft hatte, dass sich mit dem Urteil des BGH ein "Ehevertragsmodell" als das haltbare und statthafte herauskristallisiert, der wird enttäuscht sein. Aber es wurden wichtige Maßstäbe gesetzt, die mittlerweile in einer ganzen Reihe von Folgeentscheidungen ausdifferenziert worden sind.
Hinweis
Die BGH-Rspr. zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen setzt wichtige Maßstäbe. Eine allgemeingültige Aussage zur Wirksamkeit von Eheverträgen enthält sie jedoch nicht.
Rz. 380
Die Belange des durch den Ehevertrag belasteten Ehegatten bedürfen einer genaueren Prüfung, je mehr die vertragliche Regelung in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift (sog. Kernbereichslehre). Auf der ersten Stufe des Kernbereichs steht der Unterhalt wegen Kindesbetreuung, auf der zweiten Stufe der Unterhalt wegen Alters oder Krankheit sowie der Versorgungsausgleich. Danach rangieren der Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit, wegen Alters- oder Krankenvorsorge sowie der Aufstockungs- und Ausbildungsunterhalt. An letzter Stelle steht sodann der Zugewinnausgleich. Der Vertrag ist i.R. einer zweistufigen Inhaltskontrolle zunächst einer Wirksamkeitskontrolle nach § 138 BGB und sodann einer Ausübungskontrolle nach § 242 BGB zu unterziehen.
Rz. 381
Die Entscheidungen vom 6.10.2004, die zum Versorgungsausgleich ergingen, verschieben den Schwerpunkt der Inhaltskontrolle auf die Ausübungskontrolle und enthalten dazu wichtige Leitlinien. Die bedeutsamste Aussage liegt darin, dass es i.R.d. Vertragsanpassung bei ehevertraglichem Verzicht auf Versorgungsausgleich regelmäßig sachgerecht sei, den Versorgungsausgleich nicht in vollem Umfange durchzuführen, sondern nur die ehebedingten Versorgungsnachteile des Ehegatten auszugleichen. Damit bleibt die vertragliche Regelung des Verzichts auf den Versorgungsausgleich trotz der abweichenden Lebensgestaltung bedeutsam. Denn der BGH folgert aus dieser Regelung zu Recht den Willen der Vertragsteile, nicht an der Versorgung des höherwertig versorgten Ehegatten teilhaben zu wollen, sondern sich auch im Scheidungsfall mit der eigenen Versorgung zu begnügen.
Rz. 382
Wenn nun die eigene Versorgung wegen der Berufsaufgabe i.R.d. Kindererziehung nicht mehr sichergestellt werden kann, dann will der BGH den Vertrag dahingehend anpassen, dass dem benachteiligten Ehegatten eine Versorgung in der Höhe zugesprochen wird, wie er sie selbst bei Weiterführung seiner beruflichen Tätigkeit – also durchaus unter Einschluss üblicher Karriereschritte – hätte erzielen können. Obergrenze bleibt aber die gesetzliche Höhe des Versorgungsausgleichsanspruchs.
Mit dieser Aussage betrat der BGH Neuland. Er rückt die Ehebedingtheit des Nachteils ins Zentrum seiner Überlegungen, auch wenn diese nicht gesetzl...