Rz. 283
Bei der Erzielung von Gewinneinkünften nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1–Nr. 3 EStG und §§ 4–7i EStG (Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständige Arbeit) ist die Feststellung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit – oder der Bedürftigkeit im Fall von Einkünften des Berechtigten – mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. Die steuerliche Einkommensermittlung stellt die Ausgangsbasis für die Feststellung des unterhaltsrechtlichen Einkommens dar.
Was die Rechtsformen anbelangt, in denen solche Einkünfte erzielt werden, so kann auf die zivil- und steuerrechtlichen Betrachtungen hinsichtlich der verschiedenen Gesellschaften i.R. dieses Handbuches verwiesen werden. Nachfolgend werden nur kurz die Besonderheiten der jeweiligen Gewinnermittlung dargestellt, soweit sie für die Ausführungen i.R. dieses Kapitels von Bedeutung sind.
Hinweis
Zu beachten ist, dass immer häufiger neben den Gewinneinkünften des Selbstständigen zusätzliche andere Einkünfte vorliegen, weil der Selbstständige eine Doppelfunktion ausübt (Arzt als Selbstständiger und Krankenhausangestellter; Gesellschafter als Geschäftsführer).
1. Steuerliche Gewinnermittlung
a) Betriebsvermögensvergleich
Rz. 284
Für diejenigen Steuerpflichtigen, die nach Handelsrecht (§§ 242 ff. HGB) oder Steuerrecht (§ 141 AO) verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßige Abschlüsse zu machen, wird der Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG ermittelt. In gleicher Weise kann der Gewinn ermittelt werden, wenn freiwillig solche Bücher geführt und Abschlüsse getätigt werden. Gewinn ist dann der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen (§ 4 Abs. 1 EStG).
Entscheidend ist beim Betriebsvermögensvergleich, dass das Betriebsvermögen einer jährlichen Bewertung unterliegt und die Geschäftsvorfälle schon in dem Geschäftsjahr eingebucht werden, zu dem sie wirtschaftlich gehören. Eine Forderung wird also mit ihrer Begründung unabhängig von der Zahlung und eine Verbindlichkeit ebenso unabhängig von ihrer Begleichung eingebucht; Ähnliches gilt auch für Rechnungsabgrenzungsposten und Rückstellungen. Unterhaltsrechtlich kann man dies mit dem "Für-Prinzip" vergleichen.
Rz. 285
Die in der Bilanz bzw. in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesenen Gewinne können zu einem erheblichen Teil auf noch nicht eingegangenen Forderungen und noch nicht bezahlten Schulden beruhen. Regelmäßig gleicht sich dies über den Verlauf verschiedener Geschäftsjahre wieder aus. Diese Konstellation ergibt sich aus unterschiedlichen Periodengewinnen bei Identität des Totalgewinns (auch im Verhältnis zur Einnahme-/Überschussrechnung). Besonderheiten mögen aber unterhaltsrechtlich beachtlich sein, insb. soweit nur wenige Jahre betrachtet werden.
b) Einnahme-/Überschussrechnung
Rz. 286
Bei der Einnahme-/Überschussrechnung, die nach § 4 Abs. 3 EStG zulässig ist, soweit keine Buchführungspflicht besteht, handelt es sich dagegen um eine reine Istrechnung nach dem Zu- und Abflussprinzip des § 11 EStG, soweit nicht etwa § 4 Abs. 3 EStG hiervon Ausnahmen anordnet, wie z.B. für Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht abnutzbarer Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Diese Gewinnermittlungsart wird v.a. bei selbstständiger Tätigkeit i.S.d. § 18 EStG bevorzugt, da für diese keine Buchführungspflicht besteht.
Der Gewinn wird dadurch ermittelt, dass den Betriebseinnahmen die Betriebsausgaben gegenübergestellt werden. Der Überschuss bildet den Gewinn. Damit ist diese Art der Gewinnermittlung dem unterhaltsrechtlichen "In-Prinzip" vergleichbar. Warenbestand, offene Forderungen und Verbindlichkeiten haben somit nach dieser Rechnung keinen Einfluss auf den Gewinn.
Hinweis
Damit ergeben sich Möglichkeiten, den Gewinn durch das Nichteinziehen von Forderungen oder das Vorziehen von Anschaffungskosten zu beeinflussen. Auf solche Maßnahmen ist unterhaltsrechtlich zu achten, insb. wenn sich ggü. den Vorjahren erhebliche Änderungen etwa bei der Quote noch offener Forderungen für geleistete Arbeiten ergeben. Wichtig ist ferner die periodengerechte Verteilung einmaliger Aufwendungen wie Leasingsonderzahlungen oder das Disagio eines Kreditvertrages.