Rz. 334
Zentrale Vorschrift für die Veranlagungsarten des Einkommensteuerrechts ist § 26 EStG. Diese erlaubt
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Ehegatten, |
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die beide unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und |
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nicht dauernd getrennt leben, |
die Wahl zwischen Einzelveranlagung oder Zusammenveranlagung, wenn diese Voraussetzungen zu Beginn des Veranlagungszeitraumes vorliegen oder im Laufe des Veranlagungszeitraumes eingetreten sind. Den Begriff der getrennten Veranlagung gibt es seit dem VZ 2013 nicht mehr. Stattdessen besteht neben der Zusammenveranlagung, von welcher das Gesetz nach § 26 Abs. 3 EStG als Regelfall ausgeht, noch die Möglichkeit der Einzelveranlagung nach § 26a EStG, bei der Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen etc. bei demjenigen Ehegatten berücksichtigt werden, der sie wirtschaftlich getragen hat, soweit nicht übereinstimmend eine hälftige Zurechnung beantragt wird.
Hinweis
Voraussetzung ist sowohl für die Zusammenveranlagung als auch für die Einzelveranlagung, dass die Ehegatten nicht dauernd getrennt leben.
Rz. 335
Ein dauerndes Getrenntleben ist anzunehmen, wenn die zum Wesen der Ehe gehörende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft nach dem Gesamtbild der Verhältnisse auf Dauer nicht mehr besteht. Unter Lebensgemeinschaft ist die räumliche, persönliche und geistige Gemeinschaft der Ehegatten, unter Wirtschaftsgemeinschaft die gemeinsame Erledigung der die Ehegatten gemeinsam berührenden wirtschaftlichen Fragen ihres Zusammenlebens zu verstehen. Ob die Ehegatten dauernd getrennt leben, richtet sich in erster Linie nach den äußeren, erkennbaren Umständen: Dem räumlichen Zusammenleben oder der räumlichen Trennung kommt eine besondere Bedeutung zu.
Rz. 336
Der steuerliche Begriff des dauernden Getrenntlebens ist von dem zivilrechtlichen abzugrenzen. Insb. findet die Vorschrift des § 1567 Abs. 2 BGB, nach der ein Versöhnungsversuch das Trennungsjahr nicht unterbricht, im Steuerrecht keine Anwendung, denn diese Bestimmung soll die Ehegatten zu einem Versöhnungsversuch anhalten, ohne dass diese fürchten müssen, dass ein solcher die für eine Scheidung abzuwartende Frist unterbricht oder hemmt. Steuerrechtlich kann ein gescheiterter Versöhnungsversuch daher das dauernde Getrenntleben unterbrechen. Die Erklärung der Ehegatten vor dem FamG zum dauernden Getrenntleben ist für die steuerrechtliche Würdigung lediglich ein Indiz. Entscheidend sind die tatsächlichen Gegebenheiten. Allerdings trifft die Ehegatten die Feststellungslast für das nicht dauernde Getrenntleben.
1. Zusammenveranlagung
Rz. 337
Bei der Zusammenveranlagung nach § 26b EStG werden für jeden Ehegatten die von ihm bezogenen Einkünfte gesondert ermittelt, dann aber zusammengerechnet und die Ehegatten gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt. Die Ehegatten haben eine gemeinsame Steuererklärung abzugeben (§ 25 Abs. 3 Satz 2 EStG). Insb. ist für die Ehegatten dann der Splittingtarif nach § 32a Abs. 5 EStG anzuwenden, wonach die Steuer das Zweifache des Steuerbetrags beträgt, der sich für die Hälfte des gemeinsam zu versteuernden Einkommens ergibt. Dadurch entstehen erhebliche Progressionsvorteile, insb. bei Einverdiener- oder Diskrepanzehen.
Rz. 338
Bei Zusammenveranlagung wirkt die Auszahlung einer Steuerrückerstattung an einen Ehegatten auch für und gegen den anderen Ehegatten (§ 36 Abs. 4 Satz 3 EStG). Für die Einkommensteuer haften beide Ehegatten nach § 44 Abs. 1 Satz 1 AO als Gesamtschuldner, wenn sie zusammen veranlagt werden. Diese Veranlagung wird meist bis zum Jahr der Trennung fortgeführt. Aus diesem Grund besteht die Gesamtschuld auch noch nach der Trennung fort, insb. da die entsprechenden Erklärungen häufig erst sehr lange nach Ablauf des Veranlagungszeitraumes abgegeben werden.
Allerdings kann jeder zusammen veranlagte Ehegatte nach Maßgabe der §§ 268 ff. AO eine Aufteilung rückständiger Steuern beantragen. Die Steuer ist dann nach dem Verhältnis der Beträge aufzuteilen, die sich bei Einzelveranlagung ergeben würden (§ 270 AO).
Hinweis
Eine Einzelveranlagung, die nur auf Antrag durchgeführt wird (§ 26 Abs. 2 Satz 1, 3 EStG), ist in Ausnahmefällen für Ehegatten vorteilhaft, so etwa wenn ein Ehegatte individuell getragene Kosten in größerem Umfang abziehen kann.
a) Verpflichtung
Rz. 339
Eine Pflicht der Ehegatten, einer Zusammenveranlagung zuzustimmen, ergibt sich aus der Verpflichtung jedes Ehegatten aus § 1353 Abs. 1 BGB, die finanziellen Lasten des anderen Teils nach Möglichkeit zu vermindern, soweit dies ohne Verletzung eigener Interessen möglich ist. Diese Verpflichtung, die aus dem Wesen der Ehe abzuleiten ist, bleibt auch nach einer Scheidung als Nachwirkung der Ehe bestehen.