Rz. 17
In § 1 AGG sind die unzulässigen Differenzierungsmerkmale aufgezählt. Benachteiligungen aus anderen als den in § 1 AGG genannten Gründen werden nicht vom Anwendungsbereich des AGG umfasst. Die Begriffe haben ihren Ursprung in Art. 13 Abs. 1 EGV und sind durch die Europäischen Antidiskriminierungsrichtlinien in das sekundäre Gemeinschaftsrecht übernommen worden, sodass vorrangig das europarechtliche Verständnis ggü. dem deutschrechtlichen Verständnis für deren Auslegung heranzuziehen ist (Däubler/Beck, AGG, § 1 Rn 6).
I. Rasse
Rz. 18
Mit Rasse i.S.d. Gesetzes wird die Zurechnung eines Menschen zu einer bestimmten Gruppe aufgrund bestimmter vererblicher, äußerlicher Erscheinungsmerkmale, wie z.B. Hautfarbe, Physiognomie oder Körperbau umschrieben (Annuß, BB 2006, 1629, 1630; BeckOK-BGB/Zehelein, 535 Rn 141; BeckOK-ArbR/Roloff, AGG, § 1 Rn 1). Klargestellt werden muss, dass durch die Verwendung dieses Begriffs nicht die Existenz verschiedener menschlicher Rassen anerkannt wird (BT-Drucks 16/1780, 31). Dieses Differenzierungsmerkmal dient vielmehr der Sanktionierung rassistischen Verhaltens. Derjenige, der das Vorhandensein einer Rasse annimmt und jemanden dadurch benachteiligt, verhält sich rassistisch, was zur Anwendung des AGG führt. Dies kommt auch durch den Gesetzeswortlaut zum Ausdruck, in welchem "aus Gründen der Rasse" und nicht "wegen der Rasse" steht.
II. Ethnische Herkunft
Rz. 19
Mit ethnischer Herkunft wird die Zugehörigkeit zu einer kulturellen räumlich begrenzten Völkergruppe oder einem Stamm beschrieben. Der Begriff wird weit gefasst. Dazu zählen nach der Gesetzesbegründung die Hautfarbe, die Abstammung, der nationale Ursprung oder das Volkstum. Ferner kann eine ethnische Herkunft aufgrund einer gemeinsamen Sprache und traditionellen Gewohnheiten festgestellt werden. Ethnische Herkunft ist etwas anderes als die bloße Staatsangehörigkeit, denn nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2000/43/EG betrifft die Richtlinie ausdrücklich nicht die unterschiedliche Behandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Dies zeigt auch ein Vergleich mit § 75 Abs. 1 BetrVG, in dem neben der ethnischen Herkunft explizit auch noch die Nationalität genannt ist. Unter Nationalität wird jedoch regelmäßig die Staatsangehörigkeit verstanden (LAG Sachsen v. 17.9.2010). Jedoch wird eine Benachteiligung aufgrund der ethnischen Herkunft anzunehmen sein, wenn scheinbar auf die Staatsangehörigkeit oder Religion des Benachteiligten abgestellt wird, in der Sache aber die ethnische Zugehörigkeit gemeint ist (BT-Drucks 16/1780, 31).
Zitat
"Die Titulierung als "Ossi" bezeichnet keine ethnische Herkunft, denn der Begriff "Ossi" wird weder durch eine gemeinsame Sprache noch durch eine abgrenzbare Population geprägt (ArbG Stuttgart, 15.4.2010 – 17 Ca 8907/09)."
"Es stellt ferner keine unzulässige Diskriminierung unter dem Gesichtspunkt der Rasse oder ethnischen Herkunft i.S.v. §§ 1, 7 Abs. 1 AGG dar, wenn ein Arbeitgeber zur Einhaltung von US-Export-Kontrollbestimmungen, denen er unterliegt, die E-Mail-Adresse von Arbeitnehmern mit einer Staatsangehörigkeit, die nach US-Exportbestimmungen als kritisch einzustufen ist, in der konzerninternen E-Mail-Korrespondenz mit dem Zusatz "TR" (Trade-Restricted) kennzeichnet, soweit für diese Arbeitnehmer keine Sondergenehmigung nach US-Exportkontrollrecht vorliegt (LAG Sachsen, 17.9.2010, a.a.O.)."
"Die Aufforderung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber, an einem Deutschkurs teilzunehmen, um arbeitsnotwendige Sprachkenntnisse für eine zulässigerweise angeordnete Tätigkeit zu erwerben, stellt keinen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft dar. Das gilt auch dann, wenn der Deutschkurs vertrags- oder tarifvertragswidrig außerhalb der Arbeitszeit und auf eigene Kosten des Arbeitnehmers absolviert werden soll (BAG, Urt. v. 22.6.2011 - 8 AZR 48/10)."
III. Behinderung
Rz. 20
Der Begriff der Behinderung ist im AGG nicht definiert. Er entspricht der gesetzlichen Definition in § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX und § 3 BGG (BT-Drucks 16/1780, 31; Düwell, BB 2006, 1741). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Der EuGH legt den Begriff dahin gehend aus, dass er eine Einschränkung erfasst, die insb. auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist und die ein Hindernis für die Teilhabe des Betroffenen am Berufsleben bildet (EuGH v. 18.12.2014 – C-354/13). Es wird nicht zwischen Behinderung und Schwerbehinderung unterschieden, alle Grade einer Behinderung fallen in den Schutzbereich dieses Diskriminierungsverbotes. Von dem Begriff der Behinderung ist die Krankheit nicht umfasst. Eine Ungleichbehandlung wegen einer lang andauernden Krankheit ist deshalb keine verbotene Benachteiligung (EuGH v. 11.7.2006 – C 13/05; EuGH v. 11. 4. 2013 – ...