Rz. 50
Seit der Gesetzesnovelle per 1.1.2019 sind alle weiteren Voraussetzungen des Anspruchs § 9 TzBfG als negative Tatbestandsmerkmale, rechtsdogmatisch also als Anspruchsausschluss ausgestaltet, den der Arbeitgeber im Wege der Einrede geltend machen muss. Im Einzelnen gestattet das Gesetz dem Arbeitgeber vier verschiedene Einwände, mit denen er den Anspruch des Arbeitnehmers zurückzuweisen kann:
1. |
Der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer begehrt keine Beschäftigung auf einem entsprechenden freien Arbeitsplatz. |
2. |
Der teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer ist nicht mindestens gleich geeignet wie ein anderer vom Arbeitgeber bevorzugter Bewerber. |
3. |
Arbeitszeitwünsche anderer teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer stehen entgegen. |
4. |
Dringende betriebliche Gründe stehen entgegen. |
Rz. 51
Bis zum 31.12.2018 waren nur die dringenden betrieblichen Gründe und die Arbeitszeitwünsche Anderer als negative Tatbestandsmerkmale ("es sei denn, dass"), der entsprechende freie Arbeitsplatz und die mindestens gleiche Eignung hingegen als positive Merkmale formuliert.
Rz. 52
Bei inhaltlich unveränderter Wertung hat der Gesetzgeber durch diese Justierung die Vortrags- und Beweislast im Prozess zu Lasten des Arbeitgebers verschoben. Nach allgemeinen Regeln muss der Anspruchsinhaber (hier: der Arbeitnehmer) die positiven Tatbestandsmerkmale vortragen und im Streitfall auch beweisen, während der Anspruchsgegner (hier: der Arbeitgeber) die negativen Merkmale vorzutragen und zu beweisen hat. Die Verlagerung der Beweislast war gewollt. Tatsächlich spricht die größere Sachnähe für den vorrangigen Vortrag des Arbeitgebers; dem Arbeitnehmer fällt es in der Regel schwer, auch nur die erforderlichen Informationen zusammenzutragen. Wegen der freien Arbeitsplätze half ihm schon bislang der Informationsanspruch nach § 7 Abs. 3 TzBfG (Abs. 2 a.F.); die Eignung seiner Mitbewerber ist aber für den Arbeitnehmer fast unmöglich zu kennen. Die Zugangsschwelle zu dem Verlängerungsanspruch wurde durch die Novelle also maßgeblich gesenkt.
Rz. 53
Mehr als dies wurde aber durch die erhebliche Überarbeitung der Formulierung in § 9 TzBfG nicht verändert. Inhaltlich gelten dieselben Maßstäbe wie zuvor.
1. Kein entsprechender freier Arbeitsplatz
Rz. 54
Der Anspruch nach § 9 TzBfG besteht nicht, wenn der Arbeitsplatz, auf dem der Teilzeitbeschäftigte die Weiterbeschäftigung mit verlängerter Arbeitszeit begehrt, kein entsprechender freier Arbeitsplatz i.S.v. § 9 S. 1 Nr. 1 TzBfG ist. Wann ein Arbeitsplatz frei ist, hat der Gesetzgeber in Satz 2 der Neuregelung nun näher erläutert: "Ein freier zu besetzender Arbeitsplatz liegt vor, wenn der Arbeitgeber die Organisationsentscheidung getroffen hat, diesen zu schaffen oder einen unbesetzten Arbeitsplatz neu zu besetzen."
Rz. 55
Entsprechend ist der Arbeitsplatz nur dann, wenn er den Arbeitszeitwünschen des teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Das ist keineswegs nur eine Selbstverständlichkeit, wie man meinen könnte, weil doch der Teilzeitbeschäftigte durch seine Bewerbung anzeigt, dass der begehrte Arbeitsplatz seinen Wünschen entspricht. Aus dem Kriterium der Entsprechung lässt sich jedoch folgern, dass der Arbeitnehmer den freien Arbeitsplatz nur so beanspruchen kann wie er vom Arbeitgeber angeboten wird. Schreibt der Arbeitgeber beispielsweise eine Vollzeitstelle aus, so ist diese Stelle keine "entsprechende", falls der Teilzeitbeschäftigte seine Arbeitszeit auf nur 30 Stunden erhöhen möchte. Der Vorzugsanspruch besteht dann nicht. Insbesondere ist der Arbeitgeber nicht wegen § 9 TzBfG verpflichtet, den angebotenen Arbeitsplatz nun an die Wünsche des Arbeitnehmers anzupassen. Deshalb muss auch der Arbeitgeber in einem Filialbetrieb, in dem Arbeit besonders am Vormittag anfällt, eine neue Teilzeitstelle nicht für den Nachmittag ausschreiben, nur damit eine bereits vorhandene Teilzeitkraft zusätzlich auch am Nachmittag arbeiten kann.
Rz. 56
Vergleichbares gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer gar keine andere Stelle begehrt, sondern seine Arbeitszeit auf seinem bisherigen Arbeitsplatz aufstocken möchte. Er kann den Anspruch auf bevorzugte Berücksichtigung auch insoweit besitzen; das setzt aber voraus, dass der Arbeitgeber die Stelle überhaupt mit erweiterter Arbeitszeit anbieten möchte. § 9 TzBfG gewährt – anders als umgekehrt § 8 TzBfG für die Arbeitszeitreduzierung – keinen Anspruch auf eine Neuorganisation der Stelle. Seit der Gesetzesnovelle stellt § 9 S. 2 TzBfG ausdrücklich klar, dass die Organisationsentscheidung allein beim Arbeitgeber liegt. Sie darf nur nicht zur Umgehung des § 9 TzBfG genutzt werden, sondern muss letztlich von arbeitsplatzbezogenen Sachgründen getragen sein.
Rz. 57
Ist daher ein Teilzeitarbeitsplatz vakant und richtet der Arbeitgeber darüber hinaus noch einen weiteren Teilzeitarbeitsplatz mit denselben Aufgaben ein, den er nun ausschreibt, so ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, beide Teilzeitarbeit...