Rz. 27
Verstirbt der Arbeitnehmer, so wird das Schicksal des Urlaubsanspruchs diskutiert.
Der Anspruch auf Erteilung von Urlaub ist höchstpersönlicher Natur und geht mit dem Tod des Arbeitnehmers unter. Dies ist einhellige Meinung in Rechtsprechung und Literatur.
Rz. 28
Hieran anknüpfend wurde zum Teil der Schluss gezogen, dass ein Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG nicht vererblich sei, denn er stelle nur das Surrogat des – untergegangenen – Urlaubsanspruchs dar. Verstirbt der Arbeitnehmer nun, so war die Behandlung der Urlaubsansprüche umstritten. Nach der Rechtsprechung des BAG konnte sich der unvererbliche Urlaubsanspruch jedoch in einen Schadensersatzanspruch wandeln, der dann wiederum vererblich wurde. Dies setzte voraus, dass der Arbeitnehmer nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis noch gelebt hat, womit der Urlaub ja dann auch erfüllbar gewesen wäre. Hat der Arbeitnehmer weiter zusätzlich den Anspruch gegen den Arbeitgeber geltend gemacht, so habe der Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch aus Verzugsgesichtspunkten heraus geschaffen §§ 280, 286, 287 S. 2 BGB, der dann auch von den Erben geltend gemacht werden konnte.
Rz. 29
Mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24.3.2009 wurde die vorherige Rechtsprechung aufgegeben, wonach der gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch erlischt, wenn der Arbeitnehmer wegen Arbeitsunfähigkeit seinen Urlaub während des Jahres nicht nehmen konnte. Vielmehr ist nun anzuerkennen, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 7 BUrlG ein Geldanspruch ist. Demzufolge sind Urlaubsabgeltungsansprüche auch vererblich nach § 1922 BGB. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 BUrlG müssen erfüllt sein, d.h. der Abgeltungsanspruch muss entstanden sein.
Rz. 30
Im Juni 2014 hat der EuGH in Fortsetzung seiner Rechtsprechung zur "Schultz-Hoff"-Entscheidung den Fall "Bollacke" bei Beendigung durch Tod des Arbeitnehmers entschieden. Im Fall "Schultz-Hoff" stellte der EuGH bereits fest, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ein besonders bedeutender Grundsatz des Sozialrechts ist und dass die Ansprüche auf Jahresurlaub und auf Bezahlung während des Urlaubs zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs sind. Folglich stand dem Arbeitnehmer, wenn das Arbeitsverhältnis geendet hat, ein Anspruch auf eine Vergütung zu, um zu verhindern, dass ihm jeder Genuss des Anspruchs auf Urlaub vorenthalten wird. In der Entscheidung "Bollacke" und nachfolgend in den Entscheidungen "Bauer" und "Willmeroth" wird nunmehr vom EuGH klargestellt, dass das Unionsrecht (Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.11.2003) einzelstaatlichen Rechtsvorschriften (§ 7 Abs. 4 BurlG) oder Gepflogenheiten entgegensteht, wonach der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ohne Begründung eines Abgeltungsanspruchs für nicht genommenen Urlaub untergeht, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet. Die Abgeltung hängt auch nicht davon ab, dass der Verstorbene zuvor einen diesbezüglichen Antrag beim Arbeitgeber gestellt hat. Mithin entsteht ein Abgeltungsanspruch der Erben aus Sicht des EuGH auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endet. Lebt der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch, so geht der Anspruch auf Urlaubsabgeltung gemäß § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben über. Wird der Urlaubsabgeltungsanspruch – wie nach der o.g. neuen BAG-Rechtsprechung – als reiner Geldanspruch anerkannt, folgt daraus, dass auch der beim verstorbenen Arbeitnehmer entstandene Urlaubsabgeltungsanspruch nach § 1922 Abs. 1 BGB vererblich ist. Verstirbt der Arbeitnehmer, wandelt sich der noch nicht erfüllte Urlaubsanspruch mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bzw. dem Tod in den Abgeltungsanspruch um, ohne dass es eines vorherigen Antrags des Arbeitnehmers bedarf.
Rz. 31
Diese Auffassung vertrat bereits das Arbeitsgericht Potsdam. Das Arbeitsgericht geht grundsätzlich von der Vererblichkeit des Abgeltungsanspruchs aus. Es stellt auf die konkrete Norm des § 7 Abs. 4 BUrlG ab und stellt fest, dass neben dem noch bestehenden Urlaubsanspruch die einzig weitere Voraussetzung für das Entstehen des vererblichen Anspruchs ist, dass das Arbeitsverhältnis beendet wird. Wie dies zu erfolgen hat, sei gesetzlich nicht geregelt. Folglich könne nicht nur die Beendigung durch Aufhebungsvertrag oder Kündigung als Beendigung in diesem Sinne heranzuziehen sein, sondern auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Tod des Arbeitnehmers. Folglich können nach Auffassung des Arbeitsgerichts die Erben nach dem Tod des Arbeitnehmers zumindest den gesetzlichen Mindesturlaub unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 BUrlG durchsetzen.
Rz. 32
Nachdem auch das BAG nunmehr der Rechtsprechung des EuGH im Lichte der Auslegung der Unionsregelungen gefolgt ist und seine Rechtsprechung geändert hat, ist diese als neue gefestigte Rechtsprechung anzusehen und dieser zu folgen. Der vom Unionsgesetzgeber in A...