Rz. 58
Die Inhalte der Arbeitsverhältnisse sind durch formularmäßige Arbeitsverträge (ohne individuelles Aushandeln von Klauseln vor Vertragsschluss) oder oft auch durch Tarifverträge ausgestaltet. In diesen Arbeits- oder Tarifverträgen sind in der überwiegenden Zahl Ausschlussfristen verankert. Jene Ausschlussfristen verfolgen das Ziel – im wohlverstandenen Interesse beider Vertragsparteien – in kurzer Zeit sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis abzuwickeln. Werden die Ansprüche nun nicht innerhalb der vereinbarten arbeitsvertraglichen oder tarifvertraglichen Ausschlussfristen geltend gemacht, so verfällt der Anspruch. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muss auf jeder Stufe der Ausschlussfrist bei Formulararbeitsverträgen eine Zeit von mindestens 3 Monaten bestehen, sonst ist die Ausschlussfrist unangemessen gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB und somit unwirksam. Für tarifliche Ausschlussfristen gelten andere Regeln. Deshalb können sie auch kürzere Fristen enthalten, da sie keiner über § 138 BGB hinausgehenden, insbesondere keiner AGB-Kontrolle, unterliegen. Die Ausschlussfristen reichen in Tarifverträgen von einem Monat bis zu sechs Monaten. Die Rechtsprechung des BAG hat z.B. eine sechswöchige Frist zur schriftlichen Geltendmachung gebilligt. Lediglich extrem kurze Fristen, die eine gerichtliche Geltendmachung faktisch ausschließen, sind unwirksam.
Es stellt sich so immer wieder die Frage, ob diese – für die konkrete Erbsituation sicherlich kurz bemessene Frist – auch für die Erben oder die Erbengemeinschaft gilt.
Rz. 59
Das BAG vertritt hier eine klare Ansicht: Die Ausschlussfristen gelten auch für die Erben. Sie treten in die Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers ein. Ist der Arbeitnehmer an diese Fristen gebunden, so ist nicht zu erkennen, weshalb für die Erben ein Sonderrecht bestehen soll. Eine entsprechende gesetzliche Grundlage fehlt. Eine direkte oder analoge Anwendung von § 211 BGB wird in der Literatur diskutiert. Danach wird die Verjährung im Ablauf gehemmt, so dass zugunsten des Nachlasses und der Erbengemeinschaft eine zusätzliche Bedenkzeit von sechs Monaten besteht. Käme § 211 BGB zur Anwendung, dann würde die Berechnung der Verjährungs- oder Ausschlussfrist erst ab dem Tag laufen, an dem die Erbschaft angenommen wurde. Im Ergebnis wird ein Hinausschieben der Ausschlussfrist jedoch mit Recht verneint, da die Ausschlussfrist primär das Ziel verfolgt, in überschaubarer Zeit Rechtssicherheit und -klarheit zu schaffen. Mit diesem arbeitsrechtlichen Bedürfnis sind die erbrechtlichen Normen nicht kompatibel. Zwar gibt es in § 1944 BGB eine relativ kurze Frist zur Ausschlagung der Erbschaft (sechs Wochen), doch beginnt diese erst mit der positiven Kenntnis des Erben vom Erbfall. Verzögerungen und Rechtsunsicherheiten sind so vorprogrammiert und für das Arbeitsrecht unverträglich.
Vor diesem Hintergrund scheidet auch eine analoge Anwendung von § 211 BGB aus. Die Erben sind in der Konsequenz an die im Arbeitsvertrag vereinbarten oder tariflichen Ausschlussfristen gebunden.
Rz. 60
Auch diese Punkte sollten Erben im Zusammenhang mit der Wirksamkeit von Ausschlussklauseln und der Geltendmachung von Ansprüchen beachten.
Nach § 3 S. 1 MiLoG sind Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, insoweit unwirksam. Dies gilt sowohl für Individualvereinbarungen als auch für Regelungen in Dienst- oder Betriebsvereinbarungen und in Tarifverträgen. Ausschlussfristen stellen Vereinbarungen dar, welche die Geltendmachung des Mindestlohns beschränken. Sie sind nach der BAG-Rechtsprechung daher für Neuverträge, die nach dem 31.12.2014 abgeschlossen wurden, soweit die Ausschlussklausel Ansprüche auf Mindestlohn nicht eindeutig und teilbar ausnimmt, insgesamt unwirksam. Durch eine Gesetzesänderung sind in allen ab dem 1.10.2016 neu abgeschlossenen Arbeitsverträgen (alte Verträge genießen Bestandsschutz) auch solche Ausschlussklauseln unwirksam, die verlangen, dass ein Anspruch schriftlich geltend gemacht wird. Nach einer Neuregelung in § 309 Nr. 13 BGB darf ab diesem Zeitpunkt nur noch die Textform verlangt werden. Die Geltendmachung von Ansprüchen z.B. durch E-Mail muss also möglich sein. Ausgenommen sind auch tarifvertragliche Ausschlussklauseln, da Ausschlussfristen in Tarifverträgen nicht der AGB-Kontrolle unterliegen. Dies gilt insgesamt für Ansprüche des Arbeitnehmers, die kraft Gesetzes einer Ausschlussfrist entzogen sind (z.B. BetrVG, TVG, AEntG).
Rz. 61
Außerdem verbietet § 202 Abs. 1 BGB nicht nur Vereinbarungen über die Verjährung, sondern auch über Ausschlussfristen, die sich auf eine Vorsatzhaftung des Schädigers beziehen. Eine Ausschlussklausel, die auch Ansprüche wegen einer vorsätzlichen Vertragsverletzung oder einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung erfasst, ist wegen Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB gemäß § 134 BGB nichtig. Es ist in Ausschlussklauseln nach der Rechtsprechung aber ausreichend, die Haftung für ...