Rz. 148
Auch in Arrest- und einstweiligen Verfügungsverfahren ist gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV eine zuvor angefallene Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV hälftig anzurechnen.
Rz. 149
Hier wird allerdings von der überwiegenden Rspr. und der Kommentarliteratur – häufig ohne nähere Begründung – nicht genügend differenziert. Nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV ist die Geschäftsgebühr auf ein nachfolgendes Verfahren anzurechnen, das "denselben Gegenstand" betrifft. Daran fehlt es, wenn der Anwalt außergerichtlich hinsichtlich der Hauptsache tätig war (etwa im Falle der Abmahnung), während das einstweilige Verfügungsverfahren eine vorläufige Regelung zum Inhalt hat. Es liegen dann verschiedene Gegenstände vor, sodass eine Anrechnung zu unterbleiben hat.
Rz. 150
Eine vorangegangene Geschäftsgebühr kann hier nur dann angerechnet werden, wenn sie aus dem Gegenstand des Verfügungsverfahrens angefallen ist, wenn der Anwalt also außergerichtlich auch hinsichtlich einer vorläufigen Regelung tätig war. Dann entsteht aus diesem Gegenstand eine (weitere) Geschäftsgebühr (siehe oben Beispiel 80), die dann auf die Verfahrensgebühr des einstweiligen Verfügungsverfahrens anzurechnen ist.
Rz. 151
Am besten lässt sich dies anhand folgender Übersicht verdeutlichen:
Rz. 152
Beispiel 81: Außergerichtliche Vertretung zur Hauptsache und einstweilige Verfügung
Der A hat ein Grundstück, das nur über einen Weg auf dem Grundstück des B zu erreichen ist. B sperrt sein Grundstück eigenmächtig ab, sodass der A sein Grundstück nicht mehr erreichen kann. Der A beauftragt daraufhin einen Anwalt, der unter Fristsetzung die Wiedereinräumung des ungehinderten Zugangs zum Grundstück verlangt (Wert: 10.000,00 EUR). Als dies nicht geschieht, beantragt der Anwalt für den A den Erlass einer einstweiligen Verfügung (Wert: 5.000,00 EUR), mit der dem B aufgegeben werden soll, den Zugang in bestimmtem Umfang vorläufig zu ermöglichen.
Die außergerichtliche Tätigkeit betrifft die Hauptsache. Das gerichtliche Verfahren betrifft dagegen die Eilsache. Es liegen verschiedene Gegenstände vor. Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV kommt nicht in Betracht. Geht man in der Hauptsache von einem Wert in Höhe von 10.000,00 EUR aus und hinsichtlich der einstweiligen Verfügung von 5.000,00 EUR, dann ergibt sich bei Annahme einer Mittelgebühr folgende Berechnung:
I. |
Außergerichtliche Vertretung |
1. |
1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
|
921,00 EUR |
|
(Wert: 10.000,00 EUR) |
|
|
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
941,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
178,79 EUR |
Gesamt |
|
1.119,79 EUR |
II. |
Einstweiliges Verfügungsverfahren |
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
434,20 EUR |
|
(Wert: 5.000,00 EUR) |
|
|
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
454,20 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
86,30 EUR |
Gesamt |
|
540,50 EUR |
Rz. 153
Beispiel 82: Außergerichtliche Vertretung zur vorläufigen Regelung und einstweilige Verfügung
Wie vorangegangenes Beispiel 81. Der A beauftragt jedoch den Anwalt außergerichtlich lediglich damit, den B aufzufordern ihm vorläufig und in bestimmtem Umfang den Zugang zu gewähren. Einen dauerhaften Anspruch auf Zugang zum Grundstück soll der Anwalt nicht geltend machen, da der A sich einen anderweitigen Zugang verschaffen will.
Die außergerichtliche Vertretung betrifft jetzt nur eine vorläufige Regelung, ebenso wie das einstweilige Verfügungsverfahren. Die Geschäftsgebühr ist daher hälftig nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen. Ausgehend von einem Wert in Höhe von 5.000,00 EUR ergibt sich bei Annahme einer Mittelgebühr folgende Berechnung:
I. |
Außergerichtliche Vertretung |
1. |
1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
|
501,00 EUR |
|
(Wert: 5.000,00 EUR) |
|
|
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
521,00 EUR |
|
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
98,99 EUR |
Gesamt |
|
619,99 EUR |
II. |
Einstweiliges Verfügungsverfahren |
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
434,20 EUR |
|
(Wert: 5.000,00 EUR) |
|
|
2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, |
|
– 250,50 EUR |
|
0,75 aus 5.000,00 EUR |
|
|
3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
400,80 EUR |
|
(Wert: 5.000,00 EUR) |
|
|
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
604,50 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
114,86 EUR |
Gesamt |
|
719,36 EUR |
Rz. 154
Beispiel 83: Außergerichtliche Vertretung in der Hauptsache, einstweilige Verfügung und anschließende Hauptsacheklage
Wie Beispiel 81; nachdem der B der Forderung auf Gestattung des ungehinderten Zugangs zum Grundstück nicht nachgekommen ist, beantragt der Anwalt den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der dem B aufgegeben werden soll, den Zugang in bestimmtem Umfang vorläufig zu ermöglichen. Gleichzeitig wird auch Klage zur Hauptsache auf dauerhaften Zugang erhoben.
Vorgerichtlich ist der Anwalt hinsichtlich der Hauptsache tätig geworden. Die gerichtlichen Verfahren betreffen zum einen ebenfalls die Hauptsache und zum anderen nur die Eilsache (Verfügungsverfahren). Die angefall...