Rz. 22
Dass vor der Erbteilung die Nachlassverbindlichkeiten zu erfüllen sind, schreibt § 2046 Abs. 1 S. 1 BGB insofern vor, als er eine Reihenfolge bestimmt: Zuerst werden die Nachlassverbindlichkeiten erfüllt und danach wird der Überschuss geteilt (§ 2047 BGB). Und wer diese Reihenfolge nicht einhält, kann nach der Erbteilung für noch offene Nachlassverbindlichkeiten keine Haftungsbeschränkung durch Nachlassverwaltung (§ 1975 BGB) mehr erlangen, vgl. § 2062 Hs. 2 BGB, wonach ein Antrag auf Anordnung der Nachlassverwaltung nach Vornahme der Erbteilung nicht mehr gestellt werden kann.
Ein schlüssiger Plan zur Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft setzt demnach voraus, dass zuvor alle Nachlassverbindlichkeiten berichtigt sind.
Die Variante des § 2046 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach für nicht fällige und streitige Verbindlichkeiten Rückstellungen zu machen sind, greift erst ein, wenn ein anderer Weg der Aufklärung von Nachlassverbindlichkeiten nicht besteht.
Nota bene: Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehören auch Pflichtteils- und Vermächtnisansprüche, § 1967 Abs. 2 BGB.
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Aber auch aus § 2045 BGB ergibt sich die Reihenfolge der vorrangig zu erfüllenden Nachlassverbindlichkeiten: Dem Erbteilungsanspruch kann die Einrede des nicht durchgeführten Gläubigeraufgebots entgegen gehalten werden. Damit sollen die Voraussetzungen für die Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten und damit letztlich für die Erbteilung geschaffen werden. Denn die Erben sind in einer misslichen Lage: Woher sollen sie die Nachlassverbindlichkeiten kennen? Deshalb geht das Gesetz von der Prämisse aus, die Erben würden das Aufgebot der Nachlassgläubiger betreiben (§§ 1970 ff. BGB), um alle Nachlassverbindlichkeiten in Erfahrung zu bringen und sie zu erfüllen. Außerdem steht hinter dieser Regelung die Verschärfung der Erbenhaftung nach der Teilung des Nachlasses gem. §§ 2058, 2059, 2062 Hs. 2 BGB. Und folgerichtig gibt das Gesetz jedem Miterben eine Einrede gegen den Erbteilungsanspruch, solange das Gläubigeraufgebot nicht durchgeführt ist.
Es gelten die Aufgebotsvorschriften der §§ 433 ff. FamFG.
Die Reihenfolge der Vorgehensweise der Miterben ist für diese in einer Dreistufigkeit klar vorgegeben:
(1) |
Durchführung des Gläubigeraufgebots (§ 2045 BGB), |
(2) |
Erfüllung der jetzt bekannten Nachlassverbindlichkeiten (§ 2046 BGB) – evtl. Zurückbehaltung von Nachlassmitteln für nicht fällige und streitige Verbindlichkeiten, |
(3) |
Aufteilung des verbliebenen Überschusses unter den Miterben (§ 2047 BGB). |