Rz. 84
Die Handlungsvollmacht ist in § 54 HGB geregelt. Eine Person ist ermächtigt, in dem Handelsgewerbe typische Geschäfte vorzunehmen. Die Handlungsvollmacht ist also die kleine Schwester der Prokura, eine normale Vollmacht i.S.v. § 167 BGB, deren Inhalt nicht gesetzlich festgelegt, sondern vom Vollmachtgeber bestimmt ist.
1. Erteilung
Rz. 85
Die Handlungsvollmacht kann jeder Inhaber eines Handelsgeschäftes erteilen – also Handelsgesellschaften, eingetragene Genossenschaften, Insolvenzverwalter sowie juristische Personen i.S.v. § 33 HGB. Der Geschäftsherr kann sie erteilen gegenüber dem zu Bevollmächtigenden als Innenvollmacht, gegenüber einem Dritten als Außenvollmacht, vgl. § 167 BGB, oder durch öffentliche Bekanntmachung, vgl. § 171 BGB. Die Erteilung ist formlos und auch schlüssig möglich. Die Handlungsvollmacht ist weder eintragungspflichtig noch eintragungsfähig.
2. Typ und Umfang
Rz. 86
Den Umfang der Handlungsvollmacht bestimmt nicht das Gesetz, sondern der Vollmachtgeber. § 54 Abs. 1 HGB enthält eine gesetzliche Vermutung des Umfanges der Vollmacht. Dieser hängt davon ab, welcher von drei Typen der Handlungsvollmacht erteilt wurde. Der Typ der Handlungsvollmacht bestimmt deren Umfang. Die Vollmacht erstreckt sich auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes oder die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt. Sie ist beschränkt auf branchenübliche Geschäfte. Es kommt nicht auf die Ungewöhnlichkeit für das konkrete Unternehmen an. Nur bei gesonderter Ermächtigung ist der Handlungsbevollmächtigte befugt zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken, zur Eingehung von Kredit- sowie Wechselverbindlichkeiten und zur Führung von Prozessen. § 54 Abs. 3 HGB ergänzt die Vermutungsregeln um eine Regelung zum Gutglaubensschutz. Die Typen von Handlungsvollmachten bestimmt § 54 Abs. 1 Hs. 1 HGB:
a) Generalhandlungsvollmacht
Rz. 87
Die Generalhandlungsvollmacht ermächtigt zur Vornahme aller zum Betrieb des gesamten Handelsgewerbes gehörenden Rechtsgeschäfte. Eine unwirksame Prokura kann in eine Generalhandlungsvollmacht umgedeutet werden.
b) Arthandlungsvollmacht
Rz. 88
Sie berechtigt zu einer bestimmten Art von Geschäften und ist die in der Wirtschaft wichtigste Form der Vollmacht. Beispiele sind der Schalterangestellte einer Bank, der Einkäufer, der Verkäufer oder der Kassierer.
c) Spezial- und Einzelhandlungsvollmacht
Rz. 89
Sie berechtigt zur Vornahme einzelner spezieller Rechtsgeschäfte oder eines einzigen Geschäftes. Beispiel: Ein Angestellter wird zum Ankauf bestimmter Waren auf eine Messe geschickt.
3. Rechtsschein
Rz. 90
Der Dritte, der richtigerweise von einer Handlungsvollmacht ausgehen darf, kann dem Unternehmensträger die gewöhnlich von Handlungsbevollmächtigten getätigten Geschäfte entgegenhalten. Gem. § 54 Abs. 3 HGB braucht ein Dritter eine Beschränkung der Handlungsvollmacht nur dann gegen sich gelten zu lassen, wenn er die Beschränkung kannte. Darüber hinaus ist der Rechtsschein einer Vollmacht durch die allgemeinen Grundsätze der Rechtsscheinvollmacht geschützt. Der Rechtsverkehr kann sich nicht ohne weiteres auf das Bestehen einer Handlungsvollmacht berufen, sondern muss sich vergewissern, ob die Handlungsvollmacht wirksam erteilt wurde. Es genügt aber eine konkludente Bevollmächtigung, die sich regelmäßig aus der typischerweise mit Handlungsvollmacht verbundenen Stellung oder Aufgabenzuweisung ergeben kann.
4. Zeichnung, Übertragbarkeit und Erlöschen
Rz. 91
Gem. § 57 HGB hat der Handlungsbevollmächtigte bei seiner Zeichnung jeden eine Prokura andeutenden Zusatz zu unterlassen. Er hat mit...