Rz. 457

Der spanische Codigo Civil folgt dem Grundsatz der Nachlasseinheit. Gem. Art. 9.8 des spanischen Código Civil (CC) unterliegt die Erbfolge dem Heimatrecht des Erblassers im Augenblick seines Todes, und zwar ausdrücklich "unabhängig davon, welches auch immer die Natur seiner Güter oder das Land ist, in dem sie sich befinden". Grund für diese deutliche Klarstellung ist, dass das spanische internationale Erbrecht ursprünglich der Nachlassspaltung folgte und der Erlass des (neuen) Código Civil von 1889 die Abwendung von der gegenständlichen Nachlassspaltung bekräftigen sollte.[461] Die Rechtsprechung duldet selbst im Rahmen einer Rückverweisung keine Nachlassspaltung, sondern lässt eine gespaltene Rückverweisung in solchen Fällen unbeachtet.[462] Bei mehrfacher Staatsangehörigkeit des Erblassers hat die spanische Staatsangehörigkeit stets Vorrang, Art. 9.9 S. 2 CC. Ist der Mehrstaater nicht Spanier, gibt die Zugehörigkeit zu dem Staat den Ausschlag, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte, Art. 9.9 S. 1 CC.

 

Rz. 458

Allerdings ergibt sich hier eine wichtige Ausnahme: Die Rechte, die der überlebende Ehegatte kraft Gesetzes erhält, also seine gesetzliche Erbquote wie auch seine Pflichtteilsrechte, dem Recht, welches die Ehewirkungen regelt. Vorbehalten sind die Pflichtteile der Abkömmlinge (Art. 9.8 S. 3 CC). Zweck dieser Bestimmung ist es, Angleichungsprobleme zwischen dem Erb- und dem Güterstatut zu vermeiden.[463] Der Umfang der Verweisung war zunächst umstritten. Nach einer Ansicht enthält die Norm eine lediglich deklaratorische Verweisung. Nach einer Entscheidung des Tribunal Superior de Justicia Cataluña vom 4.12.1995 erfassen die "Rechte des Ehegatten" allerdings die gesamte erbrechtliche Begünstigung des überlebenden Ehegatten einschließlich der Erbquote etc. Dem stimmt die überwiegende Literatur in Spanien zu.[464] Diese Auslegung wurde auch vom Tribunal Supremo bestätigt.[465]

 

Rz. 459

Nicht ganz deutlich – und wohl offenbar auch in Spanien umstritten[466] – ist weiter, ob auch der Pflichtteil des Ehegatten von dieser Verweisung auf das Ehewirkungsstatut erfasst wird. Hierfür spricht, dass ja auch bei der testamentarischen Erbfolge die Pflichtteile des überlebenden Ehegatten sich aus dem Gesetz ergeben. Im spanischen Recht wird dies noch dadurch betont, als der Pflichtteil des Ehegatten mit seinem gesetzlichen Erbteil identisch ist (siehe Rdn 488).

 

Rz. 460

Testamentarische Verfügungen und Erbverträge, die gemäß dem Heimatrecht des Erblassers oder Verfügenden im Augenblick ihrer Abfassung getroffen worden sind, behalten gem. Art. 9 Abs. 8 S. 2 CC ihre Gültigkeit, auch wenn später ein anderes Recht die Erbfolge regelt. Damit kannte das spanische IPR schon vor dem 17.8.2015 ein Art. 24, 25 EUErbVO vergleichbares Errichtungsstatut, wobei aber – anders als im europäischen internationalen Erbrecht – eine Heilung durch Wechsel der Staatsangehörigkeit möglich ist.

 

Rz. 461

Für die Formwirksamkeit einseitiger und gemeinschaftlicher Testamente gilt seit dem 10.6.1988 das Haager Testamentsformübereinkommen.[467] Erb- und Erbverzichtsverträge sind entsprechend der allgemeinen Formvorschrift in Art. 11.1 CC formwirksam, wenn sie den Formerfordernissen des Erbstatuts (lex causae) oder des Errichtungsortes (lex loci actus) entsprechend errichtet worden sind.

 

Rz. 462

In einer Entscheidung vom 23.10.1992 hatte der Tribunal Supremo die Pflichtteile als Bestandteil des spanischen ordre public behandelt. Die Entscheidung wurde in der Literatur heftig kritisiert.[468] Offenbar hat der Tribunal Supremo diesen Standpunkt in der Zwischenzeit stillschweigend wieder aufgegeben: In einer Entscheidung vom 21.5.1999 hatte er über die Pflichtteile des erstehelichen Kindes eines englischen Erblasser bzgl. eines von diesem zuletzt bewohnten spanischen Anwesens (castillo) zu entscheiden. Aufgrund der Anwendung englischen materiellen Erbrechts wurde die Pflichtteilsklage als unbegründet abgewiesen, ohne dass der Tribunal Supremo den spanischen orden público auch nur der Erwähnung für würdig hielt.

 

Rz. 463

Die Entscheidung des Tribunal Supremo vom 21.5.1999 betraf allerdings auch die Behandlung des Renvoi im spanischen Erbrecht: Da das englische internationale Erbrecht für die Erbfolge des unbeweglichen Nachlasses – und damit auch des Anwesens – und die damit verbundenen Pflichtteilsrechte auf das spanische Belegenheitsrecht zurückverweist[469] und das spanische Recht gem. Art. 12.2 CC Rückverweisungen auf das spanische Recht beachtet,[470] wäre der Pflichtteil in Bezug auf das in Spanien belegene unbewegliche Vermögen eigentlich nach spanischem Recht zu entscheiden gewesen. Der Tribunal Supremo lehnte die Annahme der gespaltenen Rückverweisung jedoch unter Berufung auf den Grundsatz der Nachlasseinheit ab.[471] Vielmehr wurde die Pflichtteilsklage unter Zugrundelegung englischen Erbrechts unter ausdrücklicher Berufung auf den Grundsatz der Testierfreiheit des englischen Erbrechts abgewiesen.[472] Diese Entscheidu...

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