Rz. 532

Pflichtteilsberechtigt sind gem. Art. 506 ZGB die Abkömmlinge, die Eltern und der Ehegatte des Erblassers. Der Pflichtteil ist echtes Noterbrecht. Er ist den Noterben vorbehaltene quotale Beteiligung am Vermögen des Erblassers, die der Verfügung des Erblassers entzogen ist.

 

Rz. 533

Die Pflichtteilsquote beträgt für einen Nachkommen die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs (bis 2002: ¾), für jeden Elternteil ein Viertel (bis 2002: ½) des gesetzlichen Erbteils. Das Pflichtteil der Geschwister (zuletzt ein Achtel, bis 2002 ¼ des gesetzlichen Erbteils) wurde durch Gesetz vom 4.5.2007 gestrichen. Der Ehegatte erhält neben den gesetzlichen Erben den gesamten gesetzlichen Erbteil und in den übrigen Fällen drei Viertel (bis 2002: ½) des gesetzlichen Erbteils als Pflichtteil.

 
Kinder Eltern Geschwister Ehegatte Noterbquoten Freiteil
x / /   alleiniges Kind bzw. alle Kinder insgesamt ½ ½
x / / x

Kinder insgesamt ⅜

Ehegatte ¼
      x Ehegatte ¾ ¼
  x / x

Ehegatte ½

beide Eltern insgesamt ¼
¼
  x /   Eltern insgesamt ¼ ¾
 

Rz. 534

Eine Erweiterung der verfügbaren Quote auf bis zu drei Viertel ergab sich nach altem Recht für gemeinnützige Schenkungen und gemeinnützige Stiftungen, Art. 453 Abs. 2 bis 4 ZGB a.F. Das neue ZGB enthält diese Begünstigung der Stiftungsgeschäfte nicht mehr.

 

Rz. 535

Der Pflichtteil gewährt dem Pflichtteilsberechtigten eine dingliche Beteiligung am Nachlass. Diese kann er durch Herabsetzungsklage geltend machen, mit der er die testamentarischen Verfügungen so weit herabsetzen lässt, bis seine Noterbquote wiederhergestellt wird. Klagebefugt ist nicht allein der Pflichtteilsberechtigte selber, sondern auch sein Konkursverwalter oder ein Gläubiger, der erfolglos die Zwangsvollstreckung versucht hat. Das Recht auf Erhebung der Herabsetzungsklage ist nach Ablauf eines Jahres verwirkt. Die Frist beginnt mit Kenntnis des Noterben von der Beeinträchtigung des Pflichtteils. Die Verwirkung tritt aber spätestens zehn Jahre (nach altem Recht: fünf) nach Eröffnung der letztwilligen Verfügung bzw. bei lebzeitigen Verfügungen nach Eintritt des Erbfalls ein, Art. 571 ZGB (zuvor: Art. 513 ZGB). Nach Eintritt der Verwirkung kann das Recht nur noch einredeweise geltend gemacht werden.

 

Rz. 536

Führt auch die Herabsetzung der testamentarischen Verfügungen nicht zur Wiederherstellung der Pflichtteile, werden die lebzeitigen Schenkungen in umgekehrter zeitlicher Reihenfolge herabgesetzt. Dies gilt insbesondere für Zuwendungen auf den Erbteil und Ausstattungen, Erbabfindungen, widerrufliche Schenkungen und Schenkungen, die der Erblasser in seinem letzten Lebensjahr oder in Umgehungsabsicht vorgenommen hat, Art. 565 ZGB (zuvor: Art. 507 ZGB). In einem Urt. v. 16.6.2010 hatte der türkische Kassationshof über einen Verkauf eines Grundstücks durch den Erblasser an seine Tochter zu entscheiden. Der Kaufpreis wurde hier durch die Tochter vereinbarungsgemäß nie gezahlt. Der Kassationshof nahm dennoch an, es liege keine verdeckte Schenkung vor, weil die Gegenleistung durch die (überobligatorische) Betreuung des Erblassers durch die Tochter abgegolten worden sei.[522] Die Herabsetzungsklage der Brüder wurde daher letztinstanzlich abgewiesen.

 

Rz. 537

Der Erbverzicht erfolgt durch notariell beurkundeten Erbverzichtsvertrag, Art. 528 ZGB (zuvor: Art. 475 ZGB). Dabei bindet – vorbehaltlich abweichender Regelung im Vertrag – nur der Verzicht mit Gegenleistung auch die Abkömmlinge des Verzichtenden.

[522] Rumpf, ZEV 2011, 128.

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