Rz. 21
Ein Pflichtteilsanspruch kann nur bestehen, wenn der Pflichtteilsberechtigte entweder gem. § 2303 Abs. 1 BGB durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen worden ist oder der Pflichtteilsberechtigte zwar mit einem Vermächtnis bedacht worden ist, er aber das Vermächtnis gem. § 2307 BGB ausschlägt; schlägt er das Vermächtnis nicht aus, so steht ihm ein Recht auf den Pflichtteil nicht zu, soweit der Wert des Vermächtnisses reicht.
Wenn der Erblasser also einen Pflichtteilsberechtigten zum Erben eingesetzt, so steht diesem nur ausnahmsweise ein Pflichtteilsanspruch zu. Dabei ist zu unterscheiden:
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Wird dem Pflichtteilsberechtigten ein unbelasteter Erbteil zugewandt, der der Höhe des Pflichtteils entspricht oder höher ist, steht dem Pflichtteilsberechtigten kein Pflichtteilsanspruch zu, da er nicht durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge i.S.v. § 2303 Abs. 1 BGB ausgeschlossen wurde. Schlägt dieser Erbe die Erbschaft aus, verliert er auch seinen Pflichtteil. |
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Wird dem Pflichtteilsberechtigten ein unbelasteter Erbteil zugewandt, der unterhalb seines Pflichtteils liegt, kann der Pflichtteilsberechtigte von den Miterben den Wert des an der Hälfte seines gesetzlichen Erbteils fehlenden Teils als sog. Pflichtteilsrestanspruch gem. § 2305 BGB verlangen. I.Ü. bleibt er in Höhe seiner Erbquote Miterbe. |
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Wird der Pflichtteilsberechtigte zum Erben eingesetzt, jedoch mit Anordnungen belastet, die seinen Erbteil beschränken oder beschweren, so gewährt ihm das Gesetz nach § 2306 BGB ein generelles Wahlrecht, ob er die zugewandte Erbschaft mit allen Beschränkungen oder Beschwerungen annimmt oder ob er sie ausschlägt und stattdessen seinen vollen Pflichtteil verlangt. |
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Eine ähnliche Wahlmöglichkeit besteht für den in Zugewinngemeinschaft lebenden Ehegatten des Erblassers gemäß § 1371 BGB. |
Rz. 22
Der Ausschluss von der Erbfolge kann sowohl dadurch erfolgen, dass der Pflichtteilsberechtigte ausdrücklich enterbt wird, als auch durch Zuwendung des gesamten Nachlasses an andere Personen.
Hierbei ist auch die Auslegungsregel des § 2304 BGB zu beachten: Wem der Erblasser nur "den Pflichtteil" zugewendet hat, gilt im Zweifel nicht als Erbe.
Die Schlusserbeneinsetzung in einem gemeinschaftlichen Testament (§ 2269 BGB) stellt beim Tod des erstversterbenden Elternteils für den bzw. die Abkömmlinge ebenfalls eine Enterbung nach diesem Elternteil dar. Allein die Aussicht auf die Erbschaft nach dem Tod des längstlebenden Ehegatten hat hierauf keinen Einfluss. Auch die Begünstigung durch eine Auflage oder die Ernennung zum (alleinigen) Testamentsvollstrecker ändert an der Enterbung nichts.
Zu einer Enterbung kann es auch durch einen Verstoß gegen Pflichtteilsstrafklauseln kommen.
Rz. 23
Ist der Pflichtteilsberechtigte unter einer auflösenden Bedingung oder Befristung zum Erben berufen (z.B. als Vorerbe), ist er nicht enterbt. Die Erbschaft fällt ihm – wenn auch belastet – unmittelbar mit dem Erbfall an. Auch die aufschiebend befristete Erbeinsetzung (Nacherbeinsetzung gem. § 2100 BGB) führt nicht zu einem Ausschluss von der Erbfolge, obwohl dem Pflichtteilsberechtigten die Erbschaft im Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht anfällt. Eine aufschiebend bedingte Erbeinsetzung ist die Berufung zum Ersatzerben gem. § 2096 BGB. Da der Ersatzerbe bis zum Eintritt der den Ersatzerbfall auslösenden Bedingung kein Erbe ist, kann er – vor Bedingungseintritt – seinen Pflichtteil verlangen. Tritt nach Auszahlung des Anspruchs die Bedingung ein und wird der Pflichtteilsberechtigte hierdurch doch Erbe, fallen die Voraussetzungen des § 2303 BGB nachträglich weg. Der Pflichtteil ist dann nach Bereicherungsgrundsätzen zurückzugewähren.
Rz. 24
Ist der Berechtigte auf einen unter seiner Pflichtteilsquote liegenden Erbteil eingesetzt, ist er nicht i.S.v. § 2303 BGB von der Erbfolge ausgeschlossen. Seine Ansprüche richten sich nach § 2305 BGB. Der Pflichtteilsberechtigte muss den ihm zugewandten, unzureichenden Erbteil annehmen, nur dann bleibt er in Höhe dieser Erbquote Miterbe und erhält zusätzlich den Pflichtteilsrestanspruch nach § 2305 BGB zum Ausgleich seines unzureichenden Erbteiles. Er ist dann also (dinglicher) Miterbe und zusätzlich (schuldrechtlicher) Nachlassgläubiger. Schlägt er hingegen den unzureichenden Erbteil aus, verliert er diesen vollständig und ihm steht nur noch der Pflichtteilsrestanspruch nach § 2305 BGB in Höhe der Differenz zu, nicht jedoch sein voller Pflichtteilsanspruch.
Rz. 25
Ist der zugewendete Erbteil mit Beschränkungen oder Beschwerungen belastet, greift ebenfalls nicht § 2303 BGB ein, vielmehr gilt § 2306 BGB. (vgl. hierzu im Einzelnen Rdn 38 ff.).
Rz. 26
Ist ein Pflichtteilsberechtigter mit einem Vermächtnis bedacht, so kann er den Pflichtteil verlangen, wenn er das Vermächtnis ausschlägt. Schlägt er nicht aus, so steht ihm ein Recht auf den Pflichtteil nicht zu, soweit der Wert des Vermächtnisses reicht; bei der Berechnung des Wertes bleiben Beschränkungen und Beschweru...