Rz. 202
Neben dem privaten kann der Pflichtteilsberechtigte auch ein amtliches bzw. notarielles Nachlassverzeichnis verlangen. Voraussetzung hierfür ist lediglich das grundsätzliche Bestehen eines Auskunftsanspruchs nach § 2314 BGB. Weitere Bedingungen existieren nicht. Insbesondere wird das Recht auf ein amtliches Verzeichnis nicht durch die bereits erfolgte Vorlage eines privaten Nachlassverzeichnisverzeichnisses ausgeschlossen. Beide Ansprüche bestehen kumulativ. Auch die erfolgreiche Klage auf Erteilung der privaten Auskunft und die anschließende Erfüllung des titulierten Anspruchs ändern hieran nichts, ebenso wenig die Zuziehung des Pflichtteilsberechtigten bei der Erstellung des Verzeichnisses. Allerdings ist nach Vorlage eines amtlich erstellten Verzeichnisses die Anforderung eines privaten Nachlassverzeichnisses regelmäßig rechtsmissbräuchlich. Außerdem darf der Erbe die Einholung eines notariellen Nachlassverzeichnisses verweigern, wenn ein Aktivnachlass, aus dem die anfallenden Notarkosten gedeckt werden können, nicht vorhanden ist.
Rz. 203
Die Aufnahme des amtlichen Verzeichnisses ist eine Beurkundungshandlung und obliegt daher nach Bundesrecht grundsätzlich dem Notar (§ 20 Abs. 1 BNotO). Da der Pflichtteilsberechtigte selbst nicht antragsberechtigt ist, kann er seinen Anspruch auf Erstellung des amtlichen Verzeichnisses nicht selbst, also ohne Mitwirkung des Erben, durchsetzen. Erforderlichenfalls muss er den Erben auf entsprechende Beauftragung des Notars verklagen.
Rz. 204
Inhaltlich sind das private und das notarielle Nachlassverzeichnis grundsätzlich identisch.
Rz. 205
Die Aufnahme des Verzeichnisses kann nach der freien Entscheidung des Notars auch in dessen Amtsräumen erfolgen. Etwas anderes gilt aber sicherlich dann, wenn zum Nachlass Vermögensgegenstände gehören, deren Einordnung – z.B. als Landgut i.S.v. § 2312 BGB – nicht eindeutig ist. In derartigen Fällen ist vom Notar zu erwarten, dass er sich vor Ort begibt, um seiner Ermittlungstätigkeit ordnungsgemäß nachzukommen. Nur so ist eine Übernahme der Verantwortung für das notariell erstellte Verzeichnis durch den Notar realistischerweise denkbar; zur Übernahme dieser Verantwortung ist der Notar verpflichtet. Auch wenn er i.d.R. auf die Angaben des Erben vertrauen darf, muss er diesen jedenfalls auf seine Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht hinweisen, die Angaben kritisch hinterfragen und – soweit möglich – anhand von Belegen überprüfen und ggf. auf besondere Umstände bzw. eine unzureichende Mitwirkung der Erben hinweisen.