I. Grundsätzliches
Rz. 298
Alle Pflichtteilsansprüche verjähren grundsätzlich in drei Jahren. Hieran hat sich auch durch die Erbrechtsreform im Ergebnis nichts geändert. Die frühere Sonderverjährung nach § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist zwar zugunsten der Regelverjährung gem. § 195 BGB entfallen. Diese gilt nunmehr auch für den ordentlichen Pflichtteilsanspruch. Voraussetzung für ihren Beginn ist aber – wie bislang nach § 2332 Abs. 1 BGB – die doppelte Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten sowohl vom Erbfall als auch von der ihn beeinträchtigenden Verfügung.
Rz. 299
Eine Sonderregelung gilt jedoch weiterhin für die Verjährung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs gegenüber dem Beschenkten (§ 2329 BGB). Denn hier beginnt die Verjährungsfrist – kenntnisunabhängig – mit dem Erbfall.
Rz. 300
Entfallen ist durch die Neuregelung auch die unterschiedliche Verjährungsfrist für den eigentlichen Pflichtteilsanspruch auf der einen und die Auskunfts- bzw. Wertermittlungsansprüche auf der anderen Seite. Infolge der Aufhebung von § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB unterliegen nunmehr auch Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche der dreijährigen Regelverjährung des § 195 BGB.
II. Beginn der Verjährung
Rz. 301
Die Verjährung beginnt regelmäßig mit Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten vom Erbfall und der ihn beeinträchtigenden Verfügung (doppelte Kenntnis). Sie endet drei Jahre nach diesem Zeitpunkt. Kenntnis vom Erbfall hat der Pflichtteilsberechtigte, sobald er vom Tod des Erblassers erfahren hat. Hinsichtlich eines Verschollenen kommt es auf die Kenntnis von dessen Für-Tod-Erklärung an. Auch wenn der Pflichtteilsberechtigte seinen Pflichtteilsanspruch erst geltend machen kann, nachdem er eine Erbschaft, einen Erbteil oder ein Vermächtnis ausgeschlagen hat (§§ 2306 Abs. 1, 2307, 1371 Abs. 3 BGB), beginnt die Verjährung gem. § 2332 Abs. 2 BGB nicht erst mit der Ausschlagung. Dies gilt selbst dann, wenn der als Erbe eingesetzte Pflichtteilsberechtigte von einer Beschränkung oder Beschwerung seines Erbrechts erst Kenntnis erhält, wenn seit dem Erbfall bereits drei Jahre vergangen sind. Die Kenntnis muss in der Person des Pflichtteilsberechtigten selbst eintreten, sie ist höchstpersönlich. Für den Beginn der Verjährung ist die Kenntnis des wesentlichen Inhalts der beeinträchtigenden Verfügung erforderlich. Der Berechtigte muss insbesondere erkannt haben, dass er aufgrund der Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist. Ist der Pflichtteilsberechtigte allein durch eine Verfügung von Todes wegen beeinträchtigt, muss sich seine Kenntnis auf diese Verfügung und deren Wirksamkeit beziehen. Die (ggf. fehlende) Kenntnis von ausgleichungspflichtigen Zuwendungen ist für die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs irrelevant.
Rz. 302
Beeinträchtigende lebzeitige Verfügungen sind i.d.R. Schenkungen, die ergänzungspflichtig i.S.d. §§ 2325, 2326 BGB sind. Bei lebzeitigen beeinträchtigenden Verfügungen beginnt die Verjährungsfrist frühestens mit dem Erbfall. Dies gilt selbst dann, wenn der Pflichtteilsberechtigte bereits vorher Kenntnis von der Schenkung erlangt hatte. Denn § 2325 BGB setzt nicht nur doppelte Kenntnis, sondern auch den Eintritt des Erbfalls voraus. Dass der Pflichtteilsberechtigte die jeweilige (Schenkungs-)Urkunde selbst kennt, ist nicht erforderlich. Es genügt vielmehr, wenn er aufgrund mündlicher Mitteilung Kenntnis von der Verfügung erlangt. Dadurch kann die Verjährungsfrist bereits vor der Eröffnung der letztwilligen Verfügung bzw. ihrer amtlichen Verkündung beginnen. Die unrichtige Auslegung einer letztwilligen Verfügung, die der Pflichtteilsberechtigte als wirksam und grundsätzlich beeinträchtigend erkannt hat, hindert den Fristbeginn nicht. Berechtigte Zweifel an der Gültigkeit einer letztwilligen oder lebzeitigen Verfügung schließen aber die erforderliche Kenntnis aus. "Kennenmüssen" genügt nicht. Grob fahrlässige Unkenntnis ist unschädlich.
Rz. 303
Hat der Pflichtteilsberechtigte sowohl Anspruch auf den ordentlichen Pflichtteil als auch auf den Ergänzungspflichtteil und erfährt er zu unterschiedlichen Zeitpunkten von den verschiedenen Beeinträchtigungen, stellt sich die Frage, welcher Zeitpunkt für den Beginn der Verjährungsfrist maßgebend sein soll. Hat der Berechtigte zunächst von der beeinträchtigenden letztwilligen Verfügung Kenntnis erlangt, beginnt der Fristlauf für den ordentlichen Pflichtteil mit Kenntnis der Verfügung von Todes wegen und Kenntnis vom Erbfall. Die Verjährungsfrist für den Ergänzungsanspruch beginnt unabhängig hiervon erst dann, wenn der Berechtigte auch Kenntnis von der ihn beeinträchtigenden Verfügung unter Lebenden Kenntnis erlangt hat. Hat der Pflichtteilsberechtigte zuerst von der lebzeitigen Zuwendung und erst anschließend von der letztwilligen Verfügung erfahren, beginnt die Verjährung für beide Ansprüche nicht vor der Erlangung der Kenntnis von der letztwilligen Verfügung. Die Verjährung von Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen kann also zu untersc...