I. Grundsätzliche Voraussetzungen der Stundung
Rz. 338
Der Erbe (nicht nur der selbst Pflichtteilsberechtigte), der zur Erfüllung eines Pflichtteilsanspruchs verpflichtet ist, kann die Stundung dieses Anspruchs verlangen, wenn die sofortige Erfüllung für ihn eine unbillige Härte darstellen würde, § 2331a BGB. Bei Abkömmlingen und Eltern ist § 2309 BGB zu beachten. Sind mehrere Miterben vorhanden, werden die Voraussetzungen der Stundung für jeden von ihnen einzeln geprüft. Die dem einen Miterben gewährte Stundung wirkt nur für diesen ohne Rücksicht auf die Pflichtteilsverpflichtung anderer Miterben. Nach Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft kann auch derjenige pflichtteilsberechtigte Erbe Stundung begehren, den im Innenverhältnis keine Pflichtteilslast trifft. Haftungsfreiheit im Innenverhältnis allein ist aber kein Stundungsgrund.
Rz. 339
Antragsgegner ist stets (und ausschließlich) derjenige Pflichtteilsberechtigte, der seinen Pflichtteilsanspruch gegen den selbst pflichtteilsberechtigten Erben durchsetzen will. Werden Pflichtteilsansprüche von mehreren Berechtigten geltend gemacht, muss die Stundung jedes einzelnen Anspruchs beantragt werden. Verschiedene Anträge (desselben Erben) werden nicht unbedingt einheitlich entschieden.
Rz. 340
Stundung kann nur gewährt werden, wenn die Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs den Erben nicht nur wegen der sofortigen Zahlungsverpflichtung eine unbillige Härte auslösen würde, sondern zusätzlich wegen der Art der Nachlassgegenstände. Zu nennen sind hier bspw. die Notwendigkeit zur Aufgabe der Familienwohnung oder der Veräußerung eines Gegenstands, der die wirtschaftliche Lebensgrundlage des pflichtteilsbelasteten Erben bildet. Weder die Familienwohnung noch der die Existenzgrundlage bildende Vermögensgegenstand müssen diese Eigenschaft bereits im Zeitpunkt des Erbfalls gehabt haben. Bspw. ein ererbter Betrieb muss nicht schon im Zeitpunkt des Erbfalls die Existenzgrundlage des Erben gewesen sein. Der Bestand der Unternehmensgröße ist durch § 2331a BGB aber nicht geschützt. Allein die Tatsache, dass Nachlassvermögen wegen der Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs zur Unzeit veräußert werden müsste, reicht für die Stundung des Anspruchs im Zweifel nicht aus. Kann der Erbe den Pflichtteilsberechtigten ohne größeren Aufwand aus seinem Eigenvermögen befriedigen oder einen Kredit aufnehmen, kann Stundung nicht verlangt werden.
II. Interessenabwägung
Rz. 341
Der Antrag auf Stundung des Pflichtteilsanspruchs ist nur dann begründet, wenn die nicht unverzügliche Erfüllung dem Pflichtteilsberechtigten – nach Abwägung der Interessen der Beteiligten – zugemutet werden kann, § 2331a Abs. 1 S. 2 BGB. Diese Voraussetzung für die Stundung steht dem Erfordernis der unbilligen Härte für den Erben gleichwertig gegenüber. Bei Abwägung zwischen den Interessen des Pflichtteilsberechtigten auf der einen und denen des Erben auf der anderen Seite ist grundsätzlich von der sofortigen Erfüllungspflicht des Erben gem. § 2317 Abs. 1 BGB auszugehen. Eine Stundung kann dem Pflichtteilsberechtigten bspw. gar nicht zugemutet werden, wenn der Pflichtteil zur Deckung des Unterhaltsbedarfes benötigt wird oder ohne die unverzügliche Erfüllung die eigene Ausbildung nicht fortgeführt bzw. die Ausbildung unterhaltsberechtigter Kinder nur durch die Anspruchserfüllung sichergestellt werden kann. Andererseits soll der Erbe durch die Stundung die Möglichkeit erhalten, eine sich in absehbarer Zeit eröffnende Möglichkeit zur Befriedigung des Pflichtteilsanspruchs abwarten zu können. Ist dies von vornherein nicht möglich, ohne dass der Nachlass zerschlagen wird, scheidet eine Stundung aus. Gleiches gilt, wenn der Erbe die Zahlung des Pflichtteilsanspruchs schon über Gebühr hinaus verzögert hat. Ergebnis der Interessensabwägung kann auch sein, dass das Stundungsbegehren nur teilweise erfolgreich ist, bspw. Stundung in Form von Ratenzahlungen gewährt wird.