Rz. 26
Nach der Vorstellung des Gesetzgebers haben sämtliche Mitglieder der Erbengemeinschaft die Kündigung eigenhändig auf einer Urkunde zu unterschreiben. Fehlt die eigenhändige Unterschrift auch nur eines Mitglieds der Erbengemeinschaft, so ist die Kündigung bereits formell unwirksam nach § 125 S. 1 BGB.
Diesem Erfordernis kann die Erbengemeinschaft nur begegnen, indem sie einen Vertreter bestellt oder einen der Miterben bevollmächtigt, für die Erbengemeinschaft tätig zu werden.
Der BGH hat die Auffassung vertreten, dass die wirksame Kündigung eines Miet- oder Pachtverhältnisses voraussetzt, dass alle Miterben der Kündigung zustimmen, notfalls müsse diese durch gerichtliche Entscheidung erzwungen werden.
1. Kündigung als Verfügung i.S.d. § 2040 BGB
Rz. 27
In der Kündigung durch die Erbengemeinschaft wurde vom BGH materiell-rechtlich eine Verfügung nach § 2040 Abs. 1 BGB gesehen und nicht eine mehrheitsfähige Maßnahme der Nachlassverwaltung gemäß § 2038 Abs. 2 BGB. Diese sollte auch für Verfügungen über Nachlassgegenstände gelten, die zugleich Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung sind. Diese Rechtsprechung wurde ab dem Jahr 2005 aufgeweicht. Der BGH sieht in einer Entscheidung die Kündigung eines landwirtschaftlichen Pachtvertrags als Verfügung i.S.d. § 2040 BGB an, ergänzt allerdings, dass viel dafür spreche, dass solche Verfügungen als Maßnahmen ordnungsgemäßer Verwaltung wirksam mit Stimmenmehrheit der Erbengemeinschaft beschlossen werden könnten, wenn dadurch die auf den Erhalt des Nachlassbestandes gerichteten Interessen der anderen Miterben nicht beeinträchtigt werden. Weiter führt der Senat des BGH für Landwirtschaftssachen in dieser Entscheidung aus, dass der Grundgedanke des § 2040 Abs. 1 BGB bezüglich der gesamthänderischen Bindung der Miterben nicht zwingend erfordere, dass Verfügungen über Nachlassgegenstände immer gemeinschaftlich vorzunehmen seien. In der Folge hat der BGH in mehreren Entscheidungen ausdrücklich diese Auffassung geteilt und entschieden, dass (jedenfalls) bei einer Kündigung von Mietverhältnissen über eine zum Nachlass gehörende Sache wirksam mit Stimmenmehrheit entschieden werden kann, wenn sich die Kündigung als Maßnahme ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung darstellt. In der Konsequenz führt dies dazu, dass die Kündigung eines Mietvertrags nicht nur durch gemeinschaftliches Handeln der Erben erfolgen kann.
Rz. 28
Zur Begründung fügt der Bundesgerichtshof in seinen Urteilen ab 2005 (unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung) aus, dass der allgemeine Verfügungsbegriff, nach welchem Verfügungen Rechtsgeschäfte sind, durch die bestehende Rechte mit unmittelbarer Wirkung aufgehoben, übertragen, belastet oder inhaltlich verändert werden, auch im Rahmen des § 2040 BGB gilt. Ausgehend von dieser Prämisse ist die Ausübung von Gestaltungsrechten wie die Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses als Verfügung zu betrachten, denn durch die Kündigung des Mietvertrags wird das Recht der Erbengemeinschaft aufgehoben, den Mietzins zu verlangen. Allerdings verneinte der BGH nun, dass § 2040 Abs. 1 BGB ausnahmslos für Verfügungen über einen Nachlassgegenstand für den Fall von mehrheitlich beschlossenen Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung anwendbar ist. Zu dieser Auffassung gelangt man, wenn man bei der Kündigung eines Mietvertrags von einem Vorrang des § 2038 Abs. 1 S. 2 BGB im Verhältnis zu § 2040 BGB ausgeht und mehrheitlich beschlossene Maßnahmen der ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung auch Verfügungsgeschäfte umfassen. Eine Einstimmigkeit ist dann nicht mehr erforderlich. Maßgebend für die rechtliche Bewertung ist das Verhältnis von § 2038 BGB und § 2040 BGB. Zu den Einzelheiten der unterschiedlichen vertretenen Meinungen wird auf die Darstellungen in den zitierten neuen BGH-Urteilen sowie auf die Ausführungen in diesem Buch in § 4 Rn 46 und 72 ff. verwiesen.
Rz. 29
Im Ergebnis sind die Entscheidungen des BGH, eine solche Kündigung eines Mietverhältnisses als Verfügung zu betrachten und Mehrheitsentscheidungen der Erbengemeinschaft für möglich zu halten, kritisch zu sehen. Sie dienen nicht der Rechtssicherheit der Beteiligten. Diese Auffassung führt zu einer Einengung des Anwendungsbereichs des § 2040 Abs. 1 BGB auf wenige Fälle einer nicht ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung, deren Prüfung dem Rechtsverkehr auferlegt wird. Ein Empfänger der Kündigung (Mieter) muss somit für die Wirksamkeit der Kündigung prüfen, ob ein Fall ordnungsgemäßer Verwaltung vorliegt. Dies führt in der Praxis zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten. Möglicherweise räumt der Mieter ein Grundstück, trotz Unwirksamkeit der Kündigung. Die Unwägbarkeiten der BGH Rechtsprechung in der praktischen Außenwirkung werden beispielhaft auch anhand eines Urteils des LG Berlin deutlich. Das LG Berlin hielt im Ergebnis die ausgesprochene Kündigung einer ungeteilten Erbengemeinschaft mit Stimmmehrheit wegen Zahlungsverzuges für keine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung gemäß § 2038 Abs. 1 S. 2 BGB, wenn die Anschluss...