aa) Grundsatz: Vertretung durch die Eltern oder durch den Vormund
Rz. 5
Bei der Gründung einer Personengesellschaft muss für den Minderjährigen sein gesetzlicher Vertreter handeln. Gesetzliche Vertreter sind in erster Linie die Eltern. Sie vertreten ihr minderjähriges Kind bei gemeinsamer Sorge gemeinschaftlich (§ 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB). Hat ein Elternteil das alleinige Sorgerecht, vertritt er das Kind allein (§ 1629 Abs. 1 Satz 3 BGB). Hat das minderjährige Kind einen Vormund, wird es durch diesen vertreten (§§ 1773, 1789 Abs. 2 Satz 1 BGB; bis 31.12.2022: §§ 1773, 1793 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.).
bb) Vertretungsausschluss bei In-sich-Geschäft oder Mehrfachvertretung
Rz. 6
Gem. § 1629 Abs. 2 Satz 1 BGB können die Eltern ein Kind insoweit nicht vertreten, als nach § 1824 BGB (bis 31.12.2022: § 1795 BGB a.F.) ein Betreuer (bis 31.12.2022: ein Vormund) von der Vertretung des Betreuten ausgeschlossen ist. Greift dieser Vertretungsausschluss, ist gem. § 1809 BGB (bis 31.12.2022: § 1909 BGB a.F.) ein Ergänzungspfleger zu bestellen. Die Eltern dürfen insb. gem. §§ 1824 Abs. 2, 181 BGB grds. keine Rechtsgeschäfte im Namen des Kindes mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten vornehmen. Hierbei greift der Ausschluss beider Eltern von der Vertretungsmacht auch dann durch, wenn nur ein Elternteil Vertragspartner des Kindes werden soll.
Ein solcher Vertretungsausschluss kommt in zwei Fällen in Betracht:
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Der gesetzliche Vertreter (bei mehreren auch nur einer von ihnen, insb. ein Elternteil) beteiligt sich selbst an der Gründung der Gesellschaft. Dann handelt er bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages sowohl im Namen des Kindes als auch im eigenen Namen (In-sich-Geschäft, § 181, 1. Alt. BGB). |
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Der gesetzliche Vertreter vertritt mehrere minderjährige Kinder bei der Gesellschaftsgründung. Der gesetzliche Vertreter ist in einer solchen Konstellation von der Vertretung aller minderjähriger Kinder ausgeschlossen (§§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1824 Abs. 1 Nr. 1 BGB). |
cc) Kein Vertretungsausschluss bei lediglich rechtlich vorteilhaften Geschäften
Rz. 7
Die §§ 1824, 181 BGB finden im Wege einer teleologischen Reduktion keine Anwendung, wenn das Rechtsgeschäft dem Kind lediglich rechtliche Vorteile verschafft. Dies wird damit begründet, dass der Schutzzweck dieser Vorschriften eine Vertretungsbeschränkung nur dort erfordert, wo es nicht um eindeutige Fälle bloßer Kindesbegünstigung geht.
Die Gründung einer Personengesellschaft ist für den Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, da mit der Beteiligung "ein Bündel von Rechten und Pflichten" verbunden ist. Dies gilt auch, wenn dem Minderjährigen die etwa geschuldete Einlage von einem Dritten schenkweise zur Verfügung gestellt wird. Denn hiervon bleiben zum einen die Einlageverpflichtung im Außenverhältnis zur Gesellschaft und zum anderen die weiteren, aus der Gesellschafterstellung folgenden Pflichten unberührt.
Hinweis
Die Gründung einer KG ist also für den Minderjährigen nicht lediglich rechtlich vorteilhaft; bei der Übertragung eines voll eingezahlten Kommanditanteils wird dies von der heute h.M. anders beurteilt. (s. dazu näher unter Rdn 45). Für die Praxis ist es daher auch aus Beschleunigungsgründen zu empfehlen, die KG ohne Beteiligung des Minderjährigen zu gründen und sodann nach Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister einen voll eingezahlten Kommanditanteil an den Minderjährigen zu übertragen.
dd) Bestellung mehrerer Ergänzungspfleger
Rz. 8
Sind an der Gründung einer Personengesellschaft mehrere Minderjährige beteiligt, die denselben gesetzlichen Vertreter haben, muss für jedes Kind ein eigener Ergänzungspfleger gem. § § 1809 BGB (bis zum 31.12.2022: 1909 BGB a.F.) bestellt werden, wenn ein Ergänzungspfleger an der Vertretung mehrerer Kinder durch § 181 BGB (i.V.m. §§ 1813, 1789 Abs. 2 Satz 2, 1824 Abs. 2 BGB) gehindert wird. Von den Beschränkungen des § 181 BGB kann der Ergänzungspfleger nicht befreit werden; auch durch eine spätere familiengerichtliche Genehmigung wäre eine solche Befreiung nicht möglich.
Rz. 9
Wird die Gesellschaft unter Beteiligung mehrerer minderjähriger Kinder errichtet, werden auch gesellschaftsvertragliche Rechtsbeziehungen zwischen den Minderjährigen begründet. Ein Ergänzungspfleger müsste hierbei auf mehreren Seiten des Rechtsgeschäfts tätig werden – und dies lässt § 181 BGB (i.V.m. §§ 1813, 1789 Abs. 2 Satz 2, 1824 Abs. 2 BGB) nicht zu. Es muss daher für jeden Minderjährigen ein eigener Ergänzungspfleger bestellt werden.
ee) Person des Ergänzungspflegers
Rz. 10
Die Person des Ergänzungspflegers wird durch das Gericht (zur Zuständigkeit s. Rdn 27 ff.) ausgewählt. Hierbei ist allein das Interesse des Minderjährigen maßgebend. An einen Vorschlag der von der Vertretung ausgeschlossenen Eltern ist...