(1) GmbH
Rz. 56
Ob der Anteilserwerb eines Minderjährigen im Zuge einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen einer familiengerichtlichen Genehmigung bedarf, ist auch nach der Gesetzesänderung zum 1.1.2023 leider nicht eindeutig geklärt. Nach § 1852 Nr. 2 BGB ist ein Gesellschaftsvertrag, der zum Betrieb eines Erwerbsgeschäfts eingegangen wird, genehmigungsbedürftig. Änderungen eines Gesellschaftsvertrages unterfallen diesem Tatbestand nach h.M. grds. nicht. Für Kapitalerhöhungen gegen Einlagen wird dies z.T. anders beurteilt.
M.E. folgt die Genehmigungsbedürftigkeit aus § 1852 Nr. 1 lit. b) BGB, und zwar nicht für den Kapitalerhöhungsbeschluss, sondern für die Übernahmeerklärung, da aus ihr die Verpflichtung des Minderjährigen zum (entgeltlichen) Erwerb eines Geschäftsanteils resultiert. Zwar werden die durch eine Kapitalerhöhung gebildeten neuen Geschäftsanteile nicht durch eine "Verfügung" i.S.e. rechtsändernden Rechtsgeschäfts erworben, nach Sinn und Zweck der Norm macht es aber keinen Unterschied, ob bestehende Geschäftsanteile durch Abtretung erworben werden (dann ist § 1852 Nr. 1 lit. b) BGB ohne weiteres anwendbar) oder durch eine Kapitalerhöhung. Daher ist § 1852 Nr. 1 lit. b) BGB zumindest analog anzuwenden.
Sonstige Kapitalmaßnahmen, z.B. eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, bedürfen keiner Genehmigung nach § 1852 BGB.
Zur Anwendung des § 1822 Nr. 3 BGB a.F. in der bis zum 31.12.2022 geltenden Fassung auf Kapitalerhöhungsbeschlüsse einer GmbH s. die Vorauflage Rn 57.
Rz. 57
Bis zum 31.12.2022 wurde bei Kapitalerhöhungen wegen der potentiellen Ausfallhaftung die Anwendung des § 1822 Nr. 10 BGB a.F. diskutiert.
Seit dem 1.1.2023 bedürfen gem. § 1854 Nr. 4 BGB nur noch Rechtsgeschäfte einer familiengerichtlichen Genehmigung, die auf die Übernahme einer fremden Verbindlichkeit gerichtet sind und diese nicht allein als Nebenfolge mit sich bringen. Dies ist bei der Beteiligung eines Minderjährigen an einer Kapitalerhöhung nicht der Fall, so dass eine Genehmigung nach dieser Vorschrift nicht erforderlich ist.
Hinweis
Wie bei der Gründung (s. Rdn 42) ist auch bei einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen wegen der erforderlichen Übernahmeerklärung eine gerichtliche Genehmigung einzuholen.
(2) AG
Rz. 58
Unter der bis zum 31.12.2022 geltenden Rechtslage wurde die Anwendung des § 1822 Nr. 10 BGB beim Erwerb von Aktien durch einen Minderjährigen verneint. § 1854 Nr. 4 BGB n.F. greift erst recht nicht (s. Rdn 57).
Rz. 59
Von dem Wortlaut des § 1852 Nr. 1 lit. b) BGB ist an sich auch der Erwerb von Aktien erfasst. In der Gesetzesbegründung heißt es jedoch:
"Der Erwerb von Aktien gilt nicht als handels- oder gesellschaftsrechtliches Geschäft, sondern wird als Erwerb von Wertpapieren angesehen."
Daraus wird gefolgert, dass der Erwerb von Aktien generell nicht unter § 1852 Nr. 1 lit. b) BGB fällt, sondern als Erwerb von Wertpapieren (§ 1849 BGB) erfasst wird.
Zur Anwendung des § 1822 Nr. 3 BGB a.F. in der bis zum 31.12.2022 geltenden Fassung s. die Vorauflage Rn 60.