A. Allgemeines
Rz. 1
Durch das Erbschaftsteuergesetz 2009 wurde § 13b ErbStG neu in das Gesetz eingefügt, um eine eigenständige Regelung für die Definition des begünstigungsfähigen bzw. tatsächlich begünstigten Produktivvermögens zu schaffen. Die eigentlichen Verschonungsnormen (§§ 13a ff. ErbStG) greifen auf § 13b ErbStG zurück, indem sie die Anwendung der in ihnen jeweils geregelten Verschonungsmaßnahmen auf das Vermögen i.S.v. § 13b Abs. 2 ErbStG vorsehen.
Rz. 2
Anders als noch nach dem bis Ende 2008 geltenden § 13a ErbStG a.F. ist die Verschonung von Produktivvermögen heute nicht auf inländisches Vermögen beschränkt. Vielmehr kann auch das in einem Staat der Europäischen Union bzw. des Europäischen Wirtschaftsraums belegene Produktivvermögen begünstigtes Vermögen i.S.v. § 13b Abs. 1 ErbStG sein.
B. Erbschaftsteuerrechtliche Grundlagen der Begünstigung von Kapitalgesellschaftsanteilen
I. Begünstigte Gesellschaften
Rz. 3
Hinsichtlich Anteilen an Kapitalgesellschaften setzt die Inanspruchnahme der Privilegierungen der §§ 13a, 13b, 13c, 19a und 28 sowie 28a ErbStG zunächst voraus, dass die jeweilige Kapitalgesellschaft ihren Sitz oder die Geschäftsleitung im Inland bzw. in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Staat des EWR hat. Von den Begünstigungen ausgeschlossen ist daher nur noch der Übergang von Anteilen an Kapitalgesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung in Drittstaaten.
Weitere Voraussetzung für die teilweise oder vollständige Verschonung ist aber gemäß § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG, dass Anteile an solche Kapitalgesellschaften übergehen, an deren Nennkapital Erblasser oder Schenker zu mehr als 25 % unmittelbar beteiligt war bzw. ist.
Rz. 4
Den Focus von § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG bilden Kapitalgesellschaftsanteile, die der Gesellschafter in Privatvermögen hält. Anteile im Betriebsvermögen werden demgegenüber von § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG erfasst und können danach ebenfalls begünstigt sein.
Scheidet die Begünstigung solcher Anteile nach § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG – aus welchen Gründen auch immer – aus, können aber auch in einem Betriebsvermögen gehaltene Kapitalgesellschaftsanteile unter § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG fallen. Eine verdrängende Gesetzeskonkurrenz besteht nicht. Dies ändert allerdings nichts daran, dass § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG nur für unmittelbar gehaltene Anteile Anwendung finden kann, so dass die Norm bestenfalls auf im Betriebsvermögen eines Einzelunternehmers oder im Sonderbetriebsvermögen eines Personengesellschafters/Mitunternehmers gehaltene Anteile Anwendung finden kann. Hier kommt sogar eine erbschaftsteuerlich privilegierte isolierte Übertragung zu einem Betriebsvermögen/Sonderbetriebsvermögen gehörender Kapitalgesellschaftsanteile in Betracht.
Rz. 5
Möglicher Begünstigungsgegenstand nach § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG können Anteile an Kapitalgesellschaften inländischer und EU- bzw. EWR-ausländischer Kapitalgesellschaften sein. Kapitalgesellschaften mit Sitz in einem Drittland kommen hingegen nicht in Betracht. Anteile an deutschem Recht unterliegenden Kapitalgesellschaften sind Aktien (§§ 1, 6 AktG), Kommanditaktien (§ 278 AktG) und Geschäftsanteile an GmbHs (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 und §§ 4, 5, 14 GmbHG), und zwar unabhängig von der individuellen gesellschaftsvertraglichen bzw. satzungsmäßigen Ausgestaltung bzw. Ausstattung der Anteile. Demnach handelt es sich auch bei Vorzugsaktien ohne Stimmrecht (§§ 11, 12 Abs. 1 AktG) und Mehrstimmrechtsaktien (§ 12 Abs. 2 AktG) um Anteile i.S.v. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG.
Rz. 6
Bei ausländischem Recht unterliegenden Gesellschaften ist (wie im Ertragsteuerrecht) ein Typenvergleich mit inländischen Rechtsformen anzustellen. Entscheidend sollte dabei die zivilrechtliche Qualifikation sein, nicht die ertragsteuerliche Einordnung als Körperschaftsteuersubjekt oder als steuerlich transparentes Gebilde.
Rz. 7
Da nach dem Wortlaut von § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG nur unmittelbar gehaltene Kapitalgesellschaftsanteile begünstigt sein sollen, sind Unterbeteiligungen an solchen Anteilen nach zutreffender Auffassung der Finanzverwaltung nicht begünstigt. Das gilt auch für atypische Unterbeteiligungen. Soweit es sich bei dieser aber um eine Mitunternehmerschaft im ertragsteuerlichen Sinne handelt, kann diese insgesamt (also einschließlich der zu ihrem Betriebsvermögen gehörenden Kapitalgesellschaftsanteile) nach § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG begünstigt sein.
Rz. 8
Auch die Beteiligung über eine Treuhandkonstruktion stellt für den Treugeber keine unmittelbare Beteiligung dar. Treuhänderisch gehaltene Anteile können daher beim Treugeber – jedenfalls dem Wortlaut des Gesetzes nach – ebenfalls nicht nach § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG begünstigt sein.
Allerdings geht das bayerische Staatsministerium der Finanzen davon aus, dass – jedenfalls für mitunternehmerische Beteiligungen – auf den Gegenstand des dem Treugeber zustehenden Herausgabeanspruchs abzustellen sei, so dass treuhänderis...