A. Allgemeines

 

Rz. 1

Die erheblichen erbschaft- und schenkungsteuerlichen Belastungsunterschiede zwischen Steuerklasse I einerseits und den Steuerklassen II und III (siehe § 5 Rdn 1 ff.>) andererseits im Hinblick auf den persönlichen Freibetrag und die Steuersätze lassen Adoptionen im Lichte der zunehmend kinderlosen Gesellschaft als erbschaft- bzw. schenkungsteuerliche Gestaltungmittel an Attraktivität gewinnen. Im Übrigen knüpfen auch andere erbschaftsteuerliche Privilegien, wie etwa der Erwerb des Familienheims durch Kinder gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG (siehe § 6 Rdn 21 ff.>), an nahe Verwandtschaftsverhältnisse an. In der Praxis spielt im Rahmen der Steuergestaltung die Volljährigenadoption gegenüber der Minderjährigenadoption eine größere Rolle.

 

Rz. 2

Stiefkinder (Kinder des anderen Ehepartners in "Patchwork-Familien") sind bei der Steuerklasse den leiblichen Kindern gleichgestellt, so dass eine erbschaft- bzw. schenkungsteuerlich motivierte Adoption leerlaufen würde. Dies gilt auch dann, wenn die Ehe, auf der das Stiefkindsverhältnis beruht, aufgelöst worden ist, § 1590 Abs. 2 BGB. Dem Stiefkind steht also weiterhin gegenüber beiden (vormaligen) Ehegatten der Freibetrag i.H.v. 400.000 EUR zur Verfügung.

B. Zivilrecht

 

Rz. 3

Die zivilrechtlichen Wirkungen einer Adoption unterscheiden sich danach, ob ein Minderjähriger (§§ 17411766 BGB) oder ein Volljähriger (§§ 17671771 BGB) angenommen wird. Der Adoptierende muss bis zur Entscheidung über den Adoptionsantrag geschäftsfähig sein.[1] Bei der Volljährigenadoption müssen die leiblichen Eltern grundsätzlich nicht einwilligen. Verheiratete Ehegatten müssen ein Kind gemeinsam annehmen, §§ 1741 Abs. 2 S. 2, 1767 Abs. 2 S. 1 BGB.

 

Rz. 4

Das Familiengericht prüft gem. § 1741 Abs. 1 S. 1 BGB, ob die Annahme als Kind dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Es dürfen nicht ausschließlich steuerliche und wirtschaftliche Interessen verfolgt werden.[2] Sind steuerliche Folgen allerdings nur eine "erwünschte Nebenfolge", sind diese i.S.d. § 1745 S. 2 BGB unschädlich.[3]

[3] OLG Hamm v. 29.6.2012 – II – 2 UF 274/11, EE 2012, 189.

C. Steuerliche Wirkung der Adoption

 

Rz. 5

Das adoptierte Kind wird steuerlich dem leiblichen Kind völlig gleichgestellt. Die Adoption entwickelt ihre steuerliche Wirkung erst mit wirksamer Zustellung des familiengerichtlichen Beschlusses. Verstirbt die annehmende Person vorher, greift (noch) die alte Steuerkasse. Die steuerlichen Folgen können im Einzelfall schon vorher greifen, wenn die Annahme nach dem Tod des Annehmenden mit Rückwirkung ausgesprochen wird, § 1753 Abs. 2 BGB.

Auch bei zivilrechtlichem Erlöschen der Verwandtschaftsverhältnisse bleiben deren steuerliche Wirkungen weiterbestehen, § 15 Abs. 1a ErbStG. Einem adoptierten Kind steht also insbesondere auch beim Erwerb von den leiblichen Eltern im Erb- und Schenkungsfall ein Freiberg i.H.v. 400.000 EUR zur Verfügung.

 

Rz. 6

Die steuerliche Wirkung gilt auch für Kinder des Adoptivkindes im Verhältnis zu den Annehmenden, so dass hier ein Enkelkind-Verhältnis i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG entsteht.

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