Prof. Dr. Robert Koch, Moritz Rumpff
Rz. 34
Versicherungsschutz besteht für Schäden infolge vorsätzlicher unerlaubter Handlungen von Vertrauenspersonen, die nach den gesetzlichen Bestimmungen zum Schadensersatz verpflichten. Der Begriff der unerlaubten Handlung umfasst nicht nur die Vorschriften innerhalb des 27. Titels des BGB (z.B. §§ 823, 824, 826, 831 BGB), der die Überschrift "unerlaubte Handlungen" trägt, sondern auch Ansprüche des Sonderdeliktsrechts, wie etwa aus Wettbewerbsverstößen sowie der Verletzung von Immaterialgüterrechten (z.B. Urheberrecht) und gewerblichen Schutzrechten (z.B. Markenrecht).
a) Unerlaubte Handlung
Rz. 35
Eine unerlaubte Handlung liegt nach § 823 Abs. 1 BGB vor, wenn das Leben, der Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht widerrechtlich verletzt worden sind. Als sonstige Rechte sind für den Schutzbereich der VSV Marken-, Patent- und weitere Unternehmenspersönlichkeitsrechte ebenso wie das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb relevant. In der Praxis kommt Verstößen gegen § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. den einschlägigen Schutzgesetzen, insbesondere den strafrechtlichen Schutzgesetzen, gegenüber der Verletzung der durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgüter die größere Bedeutung zu. Zu strafrechtlichen Schutzgesetzen zählen etwa § 242 StGB (Diebstahl), § 246 StGB (Unterschlagung), § 263 StGB (Betrug), § 266 (Untreue), § 267 StGB (Urkundenfälschung), § 303 StGB (Sachbeschädigung), aber auch § 303a StGB (Datenveränderung) und § 303b StGB (Computersabotage). Organschaftliche Pflichten nach § 93 Abs. 1 AktG oder § 43 Abs. 1 GmbHG stellen keine Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB dar, wohl aber z.B. § 15a InsO; §§ 49 Abs. 3, 82, 84 GmbHG; §§ 92 Abs. 1, 399, 400 Abs. 1 Nr. 1, 401, 403 AktG.
Dass unter den Begriff der unerlaubten Handlungen i.S.v. §§ 1-4 AVB VSV neben positivem Tun auch pflichtwidriges Unterlassen fällt, folgt bereits aus dem erkennbaren Verweis auf den Begriff der unerlaubten Handlung i.S.v. §§ 823 ff. BGB, der ebenfalls eine Verwirklichung durch Unterlassen zulässt, wobei die Garantenstellung von Vertrauenspersonen regelmäßig aus dem Dienst-/Arbeitsvertrag bzw. aus der vertraglichen Beziehung zur versicherten Gesellschaft folgt. Darauf, ob der Täter aus konkurrenzrechtlichen Gründen aus dem Schutzgesetz nicht bestraft worden ist, kommt es für die Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB und die Deckung unter der VSV nicht an (s. Rdn 54). Bleibt die Tatausführung der Vertrauensperson im Versuchsstadium stecken, wird ein evtl. entstandener Schaden unter der Voraussetzung ersetzt, dass der Versuch gem. § 23 Abs. 1 StGB strafbar ist.
b) Vorsatz
Rz. 36
Für die Auslegung des Begriffs der vorsätzlichen Handlung ist auf allgemeine zivilrechtliche Grundsätze zurückzugreifen, wobei § 276 BGB keine Legaldefinition aufstellt. Nach ständiger Rechtsprechung und allgemeiner Meinung ist unter Vorsatz das Wissen und Wollen des pflichtwidrigen Erfolges zu verstehen, wobei sich das voluntative Element nur auf den Verletzungserfolg, mit Ausnahme der Fälle des § 826 BGB aber nicht auch auf den Schaden beziehen muss. Für die Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Schutzgesetz gelten die subjektiven Anforderungen des Schutzgesetzes, zumindest aber Fahrlässigkeit (vgl. § 823 Abs. 2 S. 2 BGB). Abweichend von der herrschenden Auffassung zum strafrechtlichen Vorsatzbegriff i.S.d. § 15 StGB muss das Wissen um die Rechtswidrigkeit, das sog. Unrechtsbewusstsein, nach zivilrechtlichen Grundsätzen vom Verletzungsvorsatz umfasst sein. Daher schließt das Vorliegen eines Irrtums (Tatumstandsirrtum, Rechtsirrtum) beim Schädiger den Vorsatz aus, es sei denn, der Täter verwirklicht ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB.
c) Fahrlässigkeit
Rz. 37
Die AVB-VSV der Allianz Trade bieten mit dem "Modul Fahrlässigkeit Global" (MFG) weitergehende Deckung für von Vertrauenspersonen durch fahrlässige Handlungen zugefügte Vermögensschäden. Die Zusatzdeckung knüpft an § 1 AVB-VSV an, umfasst al...