Prof. Dr. Robert Koch, Moritz Rumpff
Rz. 13
Die VSV hat Vermögensschäden infolge vorsätzlicher unerlaubter Handlungen bzw. Straftaten zum Gegenstand, wohingegen solche Verhaltensweisen in der D&O-Versicherung ausgeschlossen sind (vgl. Nr. A-7.1 AVB D&O). Zudem basiert die D&O-Versicherung auf dem Claims-Made-Prinzip (Nr. A-2 AVB D&O), während der VSV üblicherweise das Feststellungsprinzip zugrunde liegt. Sieht man den Zweck der Unternehmens-D&O-Versicherung zumindest auch bzw. "reflexhaft" im Schutz des Gesellschaftsvermögens vor einer Schädigung durch Geschäftsleiter und leitende Angestellte ("Bilanzschutz"), kann die VSV eine sinnvolle Ergänzung für Fälle von Vorsatz bzw. Wissentlichkeit darstellen; ist aus Sicht des Verfolgungsorgans unklar, ob ein Organmitglied die im Raum stehende Pflichtverletzung vorsätzlich bzw. wissentlich oder fahrlässig begangen hat, kann abgestuft gegen beide Versicherer vorgegangen werden. Enthält die VSV jedoch Deckung für wissentliche Pflichtverletzungen nur beschränkt auf Arbeitnehmer und ähnliche Personen (hierzu Rdn 44) und erfordert der Ersatz von Schäden verursacht durch Organmitglieder den Nachweis einer eigenen widerrechtlichen Bereicherung durch die Tat (hierzu Rdn 28), besteht das Risiko von Deckungslücken und eine sorgfältige Koordination der beiden Verträge ex ante ist erforderlich. Ein Nebeneinander zwischen D&O- und Vertrauensschadenversicherung kann sich auch bei Vorliegen eines Tatumstandsirrtums beim Täter ergeben.
Rz. 14
Abgrenzungsfragen stellen sich im Verhältnis der VSV zur Cyber-Versicherung dann, wenn es um Eingriffe Dritter in das EDV-System geht. Diese sind i.d.R. von der VSV (s. Rdn 58 ff.) ebenso wie von der Cyber-Versicherung (Informationssicherheitsverletzung i.S.v. Ziff. A1–2 AVB Cyber) erfasst. Gegenüber der VSV bietet die Cyber-Versicherung bei Eingriffen in das EDV-System ein höheres Deckungsniveau, da letztere auch fahrlässig und nicht schuldhaft verursachte Eigen- sowie auch Fremdschäden, Betriebsunterbrechungsschäden und Schäden im Zusammenhang mit Datenschutzverletzungen deckt. Die Deckungsüberschneidung wird zum Teil durch eine Subsidiaritätsklausel in den AVB-VSV antizipiert (s. Rdn 61). Im Überschneidungsbereich kann zudem die VSV unterhalb der Selbstbehaltsschwelle der Cyber-Versicherung zum Tragen kommen, da der Selbstbehalt in der VSV üblicherweise geringer ist und die (einfache) Subsidiaritätsklausel insoweit nicht eingreift.
In den Fällen reinen Social Engineerings bzw. Fake President (Rdn 4, 53) fehlt es zumeist an der für die Begründung von Deckungsschutz in der Cyber-Versicherung erforderlichen Informationssicherheitsverletzung. Der Fehler liegt hier nicht im IT-System, das die getroffenen Eingaben fehlerfrei verarbeitet, sondern in der Vorstellung des getäuschten Nutzers, der die Eingaben tätigt. Erfüllt diese Täuschungshandlung die bedingungsmäßigen Anforderungen einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung bzw. Straftat zulasten des versicherten Unternehmens, besteht Deckungsschutz ausschließlich unter der VSV (vgl. § 10 Nr. 3 b AVB-VSV).