Dr. iur. Wolfram Viefhues
I. Nicht privilegierte volljährige Kinder
Rz. 107
Im vierten Rang stehen gem. § 1609 Nr. 4 BGB die Unterhaltsansprüche volljähriger Kinder, soweit diese nicht privilegiert und minderjährigen Kindern gleichgestellt sind, also regelmäßig dann, wenn sie sich in einer beruflichen Ausbildung befinden oder einem Studium nachgehen.
Damit rangiert dieser Anspruch nachrangig gegenüber minderjährigen Kindern, privilegierten volljährigen Kindern sowie dem eines Ehegatten und eines unverheirateten Elternteils gem. § 1615l BGB.
Es bleibt aber hier dabei, dass der Ausbildungsunterhaltsanspruch des vollj. Kindes trotz seines Nachrangs als eine die ehelichen Lebensverhältnisse prägende Belastung zu berücksichtigen ist.
II. Privilegierte volljährige Kinder (Abs. 2 Satz 2)
Rz. 108
Ein unterhaltsberechtigtes volljähriges Kind im Rang dem minderjährigen Kind gleichsteht (im ersten Rang gem. § 1609 Nr. 1 BGB), wenn es zum Kreis der sog. privilegierten Volljährige zählt.
1. Voraussetzungen
Rz. 109
Das Kind muss noch im Haushalt der Eltern – oder eines Elternteils – leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden (sog. "Schulbesuchende Hauskinder").
Für eine allgemeine Schulausbildung sind 3 Faktoren maßgeblich
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Ausbildungsziel: Der Schulbesuch muss auf den Erwerb eines allgemeinen Schulabschlusses zielen, der Zugangsvoraussetzung für die Aufnahme einer Berufsausbildung oder den Besuch einer Hochschule oder Fachhochschule ist. Dies ist bei einem Hauptschulabschluss, dem Realschulabschluss und den verschiedenen Formen der Hochschulreife immer der Fall. |
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zeitliche Beanspruchung des Schülers: Die Schulausbildung muss die Zeit und die Arbeitskraft des Kindes voll oder zumindest überwiegend in Anspruch nehmen. Eine Erwerbstätigkeit, durch die der Schüler seinen Lebensunterhalt verdienen könnte, darf neben der Schulausbildung also nicht möglich sein. |
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Organisationsstruktur der Schule: Die Schulausbildung setzt die Teilnahme an einem kontrollierten Unterricht voraus; sie darf nicht der freien Entscheidung des Schülers überlassen bleiben. |
2. Auswirkungen
Rz. 110
Die sog. privilegierten volljährigen Kinder werden den minderjährigen Kindern gleichgestellt. Dies bedeutet auch, dass ihnen gegenüber eine verschärfte unterhaltsrechtliche Haftung gem. § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB besteht. Jedoch sind auch gegenüber diesen privilegierten volljährigen Kindern beide Eltern anteilig barunterhaltspflichtig. Dazu siehe oben Rdn 81.
Bei gesteigerter Unterhaltspflicht werden an die Erwerbsobliegenheit des Unterhaltspflichtigen besonders strenge Anforderungen gestellt. Dazu siehe § 18 Rdn 16.
Rz. 111
In der Praxis hat dies vor allem Bedeutung für die Nebentätigkeitsobliegenheit des Unterhaltspflichtigen. Zudem kann der Unterhaltspflichtige sich gegenüber diesem Anspruch des volljährigen Kindes nur auf den – niedrigeren – notwendigen Selbstbehalt von derzeit 1.080 EUR berufen, während gegenüber anderen volljährigen Kindern der – höhere – angemessene Selbstbehalt von 1.300 EUR gilt.
Rz. 112
Wird der Unterhaltspflichtige von seinem erwachsenen Kind, das seine bereits erlangte wirtschaftliche Selbstständigkeit wieder verloren hat, auf Unterhalt in Anspruch genommen, so kann ihm und seiner Ehefrau im Regelfall ein Familienselbstbehalt zugebilligt werden, wie ihn die Düsseldorfer Tabelle und die Unterhaltsrechtlichen Leitlinien für den Elternunterhalt vorsehen.
Rz. 113
Praxistipp:
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Auf Seiten des unterhaltsberechtigten Kindes ist von besonderer Bedeutung, dass der privilegierte Volljährige im Rang dem minderjährigen Kind gleichsteht (im ersten Rang gem. § 1609 Nr. 1 BGB). |
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Dagegen bekommen die anderen volljährigen Kinder erst den 4. Rang eingeräumt (§ 1609 Nr. 4 BGB). |
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Trifft ein privilegiertes volljähriges Kind mit einem minderjährigen Kind zusammen, sind Besonderheiten bei der Berechnung zu beachten. |
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Für privilegierte Volljährige gilt die Zuständigkeitsvorschrift des § 232 Abs. 1 Nr. 2 FamFG (Zuständigkeit des Gerichts am Aufenthaltsort des Kindes). |
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Es erfolgt auch keine Gleichbehandlung privilegierter volljähriger Kinder mit minderjährigen Kindern im Vollstreckungsrecht im Rahmen des § 850d ZPO. |