Dr. Wolfgang Kürschner, Prof. Dr. Günther Schneider
Rz. 13
Die Frage der Anrechnung von Erbschaften auf Ansprüche der Hinterbliebenen von Unfallopfern gem. § 844 Abs. 2 BGB oder § 10 Abs. 2 StVG hat erhebliche praktische Bedeutung. Ein vorzeitiger Anfall einer Erbschaft ist insoweit anzurechnen, als er dem Ersatzberechtigten Vorteile bringt, die er ohne das schädigende Ereignis nach dem wahrscheinlichen Lauf der Dinge nicht gehabt hätte. Ob und inwieweit dies hinsichtlich des Stammwertes und der Erträgnisse zutrifft, hängt von den Einzelfallumständen ab: Der Stammwert der Erbschaft ist nicht anzurechnen, wenn und soweit er dem Geschädigten auch nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zugefallen wäre. Erträgnisse aus der Erbschaft sind anzurechnen, soweit sie mutmaßlich zur Bestreitung von Unterhaltslasten und nicht zur Vermehrung oder Substanzerhaltung des Nachlasses verwendet worden wären, mit dem der Ersatzberechtigte ohnehin hätte rechnen können. Die für Erbschaften geltenden Grundsätze finden entsprechende Anwendung auf Pflichtteilsansprüche, selbst wenn sie noch nicht geltend gemacht wurden.
Rz. 14
Nicht anzurechnen sind Erträgnisse, die auf eigener Mühewaltung des Ersatzberechtigten beruhen und über die auf § 254 Abs. 2 BGB beruhenden Obliegenheiten der Schadensminderung (vgl. dazu § 19) hinausgehen, z.B. bei der Führung eines ererbten Geschäftes. Dasselbe gilt bei einem Gewinn, der beim Verkauf von Nachlassgegenständen durch den Erben anfällt. Der Bereich der Anrechnungsfähigkeit ist mithin recht eng. Eine Vorteilsausgleichung entfällt bei Wertersatzansprüchen, soweit die Einsparungen nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den entgangenen Werten stehen, so insbesondere bei Beerdigungskosten und der Rente für entgangenen Dienst.
Rz. 15
Eine Vorteilsausgleichung steht auch infrage, wenn die Witwe die frei werdende Arbeitskraft, die sie bisher zur Betreuung des Haushaltes des getöteten Mannes gebrauchte, anderweitig verwendet und dadurch Geld verdient. Diese Frage ist nach den Grundsätzen des § 254 BGB zu beurteilen. Die gebotene Anrechnung von durch den Tod des Ehegatten in Wegfall gekommenen eigenen Unterhaltsverpflichtungen des Ersatzberechtigten beruht auf dem im Schadensausgleich zugrunde liegenden Gedanken, dass der Geschädigte sich durch die Zahlungen des Schädigers wirtschaftlich nicht besser stellen soll als vor dem Schadensereignis. Auch ein Witwer muss sich für den Ersatz seines Unterhaltsschadens infolge der Tötung einer Ehefrau gegenüber einem nur auf eine Quote haftenden Schädiger den Umstand, dass er Renteneinkünfte aus einer früheren Berufstätigkeit nunmehr allein zur Verfügung hat, schadensmindernd nur insoweit anrechnen lassen, als die Ersparnis den von ihm selbst zu tragenden Schadensanteil übersteigt. Dem Geschädigten steht also sozusagen ein "Quotenvorrecht" zu.
Zur Vorteilsausgleichung bei Ansprüchen des haushaltsführenden (nicht berufstätigen) Ehegatten bei Tötung des Alleinverdieners siehe auch eingehend § 15 Rdn 97 sowie Rdn 105 ff., zur Vorteilsausgleichung bei Ansprüchen bei Tötung des haushaltsführenden Ehegatten siehe § 15 Rdn 149.