Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 47
Im Rahmen seiner Informationsgewinnung veranlasst der Arbeitgeber Bewerber üblicherweise, Bewerbungsunterlagen mit einem Lebenslauf sowie Ausbildungs- und Arbeitszeugnissen einzureichen. Problematisch hieran ist, dass den bisher üblichen Unterlagen i.d.R. Rückschlüsse auf diskriminierungsrelevante Umstände entnommen werden können, z.B. im Hinblick auf das Geschlecht, das Alter oder die Konfession (Schulzeugnisse). Das Geschlecht ergibt sich vielfach – trotz des Wegfalls des Grundsatzes der Geschlechtsoffenkundigkeit – schon aus dem Vornamen. Das Alter lässt sich anhand des Datums der Schul- und Ausbildungsabschlüsse sowie der bisherigen Arbeitsstationen i.d.R. näherungsweise abschätzen. Gleichwohl ist die Anforderung von Zeugnissen und Lebensläufen auch unter dem AGG sachlich gerechtfertigt, denn anders als über solche Referenzen kann der Arbeitgeber die Qualifikationen der Bewerber im Vorauswahlverfahren mit vertretbarem Aufwand nicht feststellen. Fotos dagegen sind in erhöhtem Maße diskriminierungsrelevant, denn sie bieten dem Arbeitgeber die Möglichkeit, diverse verpönte Merkmale zu prüfen, z.B. Alter, Hautfarbe (und damit u.U. Rasse bzw. ethnische Herkunft) und Geschlecht. Auskünfte, die der Bewerber ungefragt von sich aus erteilt, darf der Arbeitgeber zur Kenntnis nehmen, ohne sich einem Diskriminierungsvorwurf auszusetzen. Empfohlen wird daher, diskriminierungsrelevante Unterlagen nicht aktiv anzufordern, sondern nur die Möglichkeit zu bieten, einer Bewerbung Anlagen freiwillig beizufügen.
Rz. 48
Insbesondere in Fällen mit sehr vielen Bewerbungen kann es sich empfehlen, standardisierte Online-Bewerbungsformulare zu verwenden. Denn wenn Bewerber ihre Bewerbungsunterlagen nach eigenen Vorstellungen zusammenstellen, besteht zum einen die Gefahr, dass diese nicht hinreichend anforderungsbezogen ausfallen, zum anderen, dass sie für den Auswahlprozess irrelevante, ggf. auch schädliche Angaben (z.B. verpönte Merkmale nach dem AGG) enthalten. Mit standardisierten Bewerbungsformularen kann der Arbeitgeber sicherstellen, nur die für die Vorauswahl relevanten Informationen zu erheben.
Rz. 49
Unterlagen abgewiesener Bewerber hat der Arbeitgeber i.d.R. zurückzugeben, denn sie verbleiben im Eigentum des Bewerbers. Etwas anderes gilt bei unverlangt eingehenden Bewerbungen. Auf diese braucht der Arbeitgeber nicht zu reagieren. Nur dann, wenn der Bewerber einen Freiumschlag beigelegt hat, sind unverlangt eingehende Bewerbungen zurückzusenden, wobei allerdings keine Rechtspflicht anzunehmen ist. Arbeitgeber sollten grundsätzlich klare Verhältnisse schaffen, indem sie in Stellenanzeigen den Hinweis aufnehmen, dass Unterlagen nur zurückgeschickt werden, sofern ein frankierter Rückumschlag beigefügt ist.
Rz. 50
Die Zurückbehaltung von Unterlagen kann sich auch deshalb empfehlen, weil ein wegen mutmaßlicher Diskriminierung in Anspruch genommener Arbeitgeber zu seiner Verteidigung Informationen zum abgewiesenen Bewerber benötigt, die er i.d.R. nur aus den übermittelten Unterlagen gewinnen kann. Hat er diese wieder aus der Hand gegeben, kann er im späteren Prozess seiner Darlegungs- und Beweislast nicht entsprechen, sofern er nicht den zusätzlichen Aufwand getrieben hatte, die Unterlagen komplett abzulichten.
Rz. 51
Datenschutzrechtliche Gesichtspunkte stehen der Speicherung von Bewerberdaten grundsätzlich nicht entgegen. Als Erlaubnistatbestand kommt die Wahrung eines berechtigten Interesses gem. § 26 Abs. 1 S. 1, Abs. 8 BDSG in Betracht. Diese Norm sieht in Abs. 8 S. 2 vor, dass Bewerberinnen und Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis sowie Personen, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist, als Beschäftigte gelten. Daten eingestellter Bewerber dürfen jedenfalls für die Dauer des Arbeitsverhältnisses gespeichert werden. Dagegen ist die konkrete Dauer der zulässigen Speicherung von Daten abgelehnter Bewerber umstritten. Allgemein anerkannt ist mittlerweile lediglich, dass eine Speicherung von Bewerberdaten über die Einstellungsentscheidung hinaus zulässig ist, wenn und solange noch mit Rechtsstreitigkeiten mit dem Bewerber, vor allem im Hinblick auf die Diskriminierungsverbote des AGG, zu rechnen ist. Die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG zur Geltendmachung von Ansprüchen nach dem AGG beträgt zwei Monate. Danach hat der abgelehnte Bewerber drei weitere Monate Zeit, Klage zu erheben, so dass in der Praxis regelmäßig eine Speicherung der Bewerberdaten für sechs Monate empfohlen wird.