Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 1399
Inhaltlich unterliegt die vereinbarte Bedingung der Angemessenheitskontrolle. Maßgebliche Frage ist dabei, ob – und wie – nach der Veranlassung des Bedingungseintritts differenziert werden muss. Insoweit herrscht weitgehend Konsens, dass eine Bindungsklausel, die keine Differenzierung hinsichtlich der Veranlassung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses trifft, den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt. Dem Arbeitnehmer muss die Möglichkeit verbleiben, durch eigenes Verhalten Einfluss auf den Bestand des Zahlungsanspruchs zu nehmen. Beruht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Gründen, die im Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers liegen, insbesondere bei einer (nicht arbeitgeberseitig veranlassten) Eigenkündigung oder einer verhaltensbedingten Kündigung des Arbeitgebers bzw. bei einem allein auf dem Wunsch des Arbeitnehmers beruhenden oder durch ein pflichtwidriges Verhalten des Arbeitnehmers veranlassten Abschluss eines Aufhebungsvertrags, bestehen gegen die Versagung der Sonderzahlung keine Bedenken. Demgegenüber ist es unangemessen, dem Arbeitnehmer den Anspruch zu verwehren, wenn die Eigenkündigung des Arbeitnehmers durch vertragswidriges Verhalten des Arbeitgebers veranlasst ist. Diese Differenzierung ist nicht nur bei der Beendigung durch Kündigung, sondern gleichsam auch bei der Beendigung durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages vorzunehmen und in die Bindungsklausel einzupflegen.
Rz. 1400
Zweifel bestehen indes in den Fällen, in denen der Anlass der Beendigung keinen Schuldvorwurf gegenüber Arbeitnehmer oder Arbeitgeber begründet, jedoch dem Risikobereich eines der Vertragspartner zuzuordnen ist. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die betriebsbedingte Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag. Bindungsklauseln, die an eine betriebsbedingte Kündigung anknüpfen, sind in der Vergangenheit grds. für zulässig erachtet worden, da der Zweck, künftige Betriebstreue zu belohnen und den Arbeitnehmer zu engagierter Mitarbeit zu motivieren, bei bereits ausgeschiedenen oder alsbald ausscheidenden Arbeitnehmern auch dann nicht erfüllt werden könne, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses von dem Arbeitgeber selbst veranlasst sei. Die Kritik an dieser Rechtsprechung ist bei der Beurteilung vergleichbarer Klauseln im Zusammenhang mit der Rückzahlung von Ausbildungskosten nach Inkrafttreten der §§ 305 ff. BGB aufgegriffen worden. Das BAG betont in diesem Zusammenhang, dass ein ausgewogener Interessenausgleich nur dann erreicht werde, wenn es der Arbeitnehmer in der Hand habe, der Rückzahlungspflicht durch eigene Betriebstreue zu entgehen; sei der Grund für die Beendigung demgegenüber ausschließlich dem Verantwortungs- und Risikobereich des Arbeitgebers zuzuordnen, dürfe dieser kein Erlöschen des Zahlungsanspruchs bzw. keine Rückzahlungspflicht auslösen. Diese Grundsätze sind richtigerweise auch bei Sonderzahlungen anzuwenden. Das BAG hat diese Frage zwar bislang offengelassen, in mehreren obiter dicta jedoch ausgeführt, dass es jedenfalls bei Sonderzahlungen, die mindestens 25 % der Gesamtvergütung ausmachten, kaum interessengerecht sein könne, dem Arbeitnehmer im Falle einer nicht in seinen Verantwortungsbereich fallenden Kündigung einen ganz wesentlichen Teil seiner Vergütung vorzuenthalten. Demnach sollte bei Sonderzahlungen der Anspruchsausschluss nicht für betriebsbedingte Kündigungen vorgesehen werden. Auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Befristung dürfte kein zulässiges Ausschlusskriterium darstellen. Denkbar ist allerdings, für diese Fälle eine zeitanteilige Zahlung vorzusehen und so dem Einwand der Unangemessenheit zu begegnen.
Rz. 1401
Zweifel über die Reichweite zulässiger Vertragsgestaltung bestehen auch bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus personenbedingten Gründen, insbesondere bei Krankheit oder Tod des Arbeitnehmers. Ausgehend von der Gewichtung nach Verantwortungsbereichen müssten diese zulässige Ausschlusskriterien sein. Das BAG hat jedenfalls die Geltung einer Stichtagsklausel nicht deshalb verneint, weil der Arbeitnehmer vor Erreichen des Stichtages verstorben war. Nach anderer Auffassung soll die Vereinbarung einer Rückzahlungsklausel bei "Ausscheiden aufgrund eines in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grundes" intransparent sein.