Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 327
Vereinbarungen über mobile Arbeit mit Auslandsbezug erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Grenzüberschreitende Sachverhalte gewinnen in allen Branchen an Bedeutung. Die technischen Entwicklungen machen es häufig möglich, den Ort der Erbringung der Arbeitsleistung von dem Ort der Betriebsstätte zu entkoppeln. Dies bietet der Ausgestaltung der Arbeitsumstände neue und auf den ersten Blick grenzenlose Möglichkeiten vor allem in Bezug auf die Frage, von welchem Ort aus der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung erbringen kann. Technisch möglich ist nicht nur die Errichtung eines Homeoffice eines regelmäßigen Grenzgängers, der zwischen Wohnort im Ausland und inländischer Betriebsstätte pendelt ("Grenzgänger"), sondern auch das Arbeiten auf Reisen, gleich ob privat oder dienstlich veranlasst, die Kombination der Verlängerung eines Auslandsaufenthalts vor und/oder im Anschluss an eine private Reise ins Ausland ("Workation") oder auch die vollständige oder befristete Verlagerung des Arbeitsorts ins Ausland. Während die Technik den Möglichkeiten der mobilen Arbeit weltweit kaum Grenzen setzt, bergen diese Szenarien u.a. in arbeitsrechtlicher, sozialversicherungsrechtlicher und steuerrechtlicher Hinsicht erhebliche Risiken. Zudem bedarf es bei solchen Vereinbarungen über einen flexiblen Arbeitsort einer besonderen Betrachtung des Datenschutzes und des Aufenthaltsrechts. Diese Aspekte machen es erforderlich, die Bedingungen der mobilen Arbeit mit Auslandsbezug klar zu regeln und örtlich sowie zeitlich zu begrenzen, um für beide Seiten überraschende haftungsrechtliche und möglicherweise auch strafrechtlich relevante Rechtsfolgen durch das Eingreifen nationaler Vorschriften des jeweiligen Aufenthaltsorts zu vermeiden. Derzeit sind Konstellationen, in denen der Arbeitnehmer ausschließlich im ausländischen Homeoffice oder mobil ohne örtliche Beschränkung für einen inländischen Betrieb tätig wird, für den Arbeitgeber mit erheblichen Risiken verbunden, die sorgsam abgewogen und abgeprüft werden sollten. Bei einem Aufenthalt außerhalb der EU kommt eine nicht bestimmbare Zahl zusätzlicher – auch haftungsrechtlich relevanter – Fragen hinzu. Weil sich die Frage, welche Rechtsvorschriften auf das Arbeitsverhältnis bei einer Arbeit aus dem Ausland heraus Anwendung finden, maßgeblich nach den jeweils am Aufenthaltsort geltenden Regelungen und dem Abgleich der Kollision mit nationalen inländischen Regelungen richtet, ist vor Abschluss der Vereinbarung einer mobilen Arbeit mit Auslandsbezug die Konsultation eines rechtskundigen Beraters des Aufenthaltsorts und die Abstimmung mit den Kollisionsregeln des Inlands dringend empfohlen. Von der grenzenlosen und zeitlich unbeschränkten Dauer einer mobilen Arbeit im Ausland ist abzuraten. Der EU-Gesetzgeber widmet sich zunehmend dem Bedürfnis nach einer klaren Regelung grenzüberschreitender mobiler Arbeit innerhalb der EU. Jedenfalls im Sozialversicherungsrecht wird versucht, durch ein multilaterales Framework-Agreement für grenzüberschreitende Telearbeit eine klare Zuordnung der Sozialversicherungspflicht zu regeln. Das Abkommen regelt leider nur die sozialversicherungsrechtlichen Aspekte. Nicht an diese Regelungen des Agreements angepasst sind bisher die steuerlichen und zivilrechtlichen Regelungen. Viele Fragen sind bei einem vom Arbeitnehmer gewünschten europaweit frei wählbaren Aufenthaltsort, von dem aus er die Arbeit für ein im Inland ansässiges Unternehmen verrichten kann, auch bei einem zeitlich befristeten Aufenthalt im EU-Binnenland nicht einheitlich und nach gleichen Prüfpunkten zu beantworten. Die Situation ruft nach einer alle Rechtsaspekte eines Auslandseinsatzes eines Arbeitnehmers umfassenden einheitlichen Regelung. An dieser fehlt es. Aktuell muss für jeden Rechtsbereich (Zivilrecht, Sozialversicherungsrecht, Steuerrecht, Aufenthaltsrecht) bei grenzüberschreitender mobiler Arbeit jeweils gesondert geprüft werden, welches Rechtssystem gilt. Selbst wenn man bei der Prüfung, z.B. Sozialversicherungspflicht, zu dem Ergebnis kommt, dass das Recht des Staats A gilt, bedeutet dies noch nicht, dass auch das daraus erzielte Einkommen im Staat A zu versteuern ist oder dessen Arbeitnehmerschutznormen gelten. Wegen der vielen Unwägbarkeiten sollte jedenfalls dann, wenn auch während des Auslandsaufenthaltes auf die Anwendung des deutschen Arbeitsrechtssystems Wert gelegt wird, der vom Arbeitnehmer geäußerte Wunsch, aus dem Ausland heraus mobil arbeiten zu dürfen, zeitlich beschränkt und auch örtlich auf die Staaten begrenzt werden, bei denen der Arbeitgeber zuvor rechtssicher die inhaltliche Geltung zivilrechtlicher/arbeitsrechtlicher, sozialversicherungsrechtlicher, steuerrechtlicher und sonstiger zwingend geltender Vorschriften geprüft hat. Das nachfolgende Vertragsmuster berücksichtigt nur diese Konstellation und ist begrenzt auf die befristete Gestattung mobilen Arbeitens im Ausland innerhalb der Grenzen der EU bei einem im Inland ansässigen Arbeitgeber.