Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 1415
Das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses und damit der Eintritt der Sozialversicherungspflicht können vertraglich nur begrenzt beeinflusst werden. Nach ständiger Rechtsprechung ist Arbeitnehmer i.S.v. § 611a BGB und damit als Beschäftigter versicherungspflichtig, wer eine Leistung auf der Grundlage eines privatrechtlichen Vertrages, gegen Entgelt und im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt. Dabei zeigt sich die Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation insbesondere darin, dass der Beschäftigte dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, das Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und/oder Ort der Tätigkeit betrifft. Demgegenüber ist selbständig, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Die weitgehend weisungsunabhängige Ausübung der Tätigkeit, die eigenverantwortliche Bestimmung der Arbeitszeit sowie die weitgehend fehlende Eingliederung in die Arbeitsorganisation sind daher wesentliche Abgrenzungsmerkmale. Eine etwaige wirtschaftliche Abhängigkeit oder die Tätigkeit nur für einen Auftraggeber ist demgegenüber für die Annahme der Arbeitnehmereigenschaft unerheblich. Die Kriterien des BSG zur Feststellung einer abhängigen Beschäftigung sind mit diesen Maßstäben im Wesentlichen identisch; maßgeblich ist auch hier, wie § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV ausdrücklich betont, die persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten, d.h. die Eingliederung in den Betrieb und die Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und/oder Art der Arbeitsausführung. Zudem kann im Rahmen der Gesamtabwägung ein deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegendes und Eigenvorsorge zulassendes Honorar ein gewichtiges Indiz für eine selbständige Tätigkeit darstellen.
Rz. 1416
Die Prüfung, ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt, erfolgt grds. anhand der getroffenen vertraglichen Vereinbarungen. Entscheidend ist letztendlich allerdings gem. § 611a Abs. 1 S. 6 BGB die konkrete Durchführung des Vertrages; weicht die Vertragsdurchführung von den formellen Vertragsbestimmungen ab, spricht dies für einen abweichenden Parteiwillen. Allein die vertragliche Gestaltung einer selbständigen Tätigkeit vermag die Versicherungspflicht nicht auszuschließen, wenn die tatsächliche Vertragsdurchführung in persönlicher Abhängigkeit erfolgt, sodass es nicht allein ausreicht, das Vertragsformular "beurteilungssicher" auszugestalten. Die dem Mitarbeiter vertraglich eingeräumten Rechte müssen ihm auch tatsächlich gewährt werden. Faktische Beschränkungen können, auch wenn sie nicht vertraglich fixiert werden, die Selbständigkeit beseitigen. Dem im Vertrag dokumentierten Willen, kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründen zu wollen, kommt aber zumindest dann indizielle Bedeutung zu, wenn dieser den sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und durch weitere Aspekte gestützt wird.
Rz. 1417
Zu beachten ist dabei auch, dass der sozialversicherungsrechtliche Status für den Bestand des Arbeitsverhältnisses grds. unerheblich ist. Der Wegfall der Sozialversicherungsfreiheit rechtfertigt daher nicht den Ausspruch einer personenbedingten Kündigung, sondern allenfalls eine Anpassung des Arbeitsvertrages (§ 313 Abs. 1 BGB), soweit die Änderung des sozialversicherungsrechtlichen Status eine wesentliche Störung der Geschäftsgrundlage darstellt.