Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 1439
Die Höhe und konkrete Berechnung der Tantieme bestimmen sich nach den vertraglichen Abreden, die insoweit zur Vermeidung von Auseinandersetzungen eindeutige Regelungen enthalten sollten und zwecks Erfüllung der Nachweispflicht (§ 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 NachwG) schriftlich nachzuweisen sind. Fehlt – unter Verletzung der Nachweispflicht – eine ausdrückliche Regelung der Tantiemehöhe, so ist gem. § 612 Abs. 2 BGB die für ähnliche Sachverhalte üblicherweise gewährte und angemessene Tantieme zu leisten. Der Arbeitnehmer kann auch aufgrund konkludenter Abrede einen vertraglichen Anspruch auf eine Tantieme dem Grunde nach erwerben, über deren Höhe der Arbeitgeber gemäß § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen zu entscheiden hat.
Rz. 1440
Für die Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften bestimmte § 86 Abs. 2 AktG a.F., dass sich eine variable Vergütung in Form einer Beteiligung am Jahresgewinn der Gesellschaft nach dem Jahresüberschuss berechnet, vermindert um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr und um die Beträge, die nach Gesetz oder Satzung aus dem Jahresüberschuss in Gewinnrücklagen einzustellen sind. Für GmbH-Geschäftsführer und Arbeitnehmer existierte eine vergleichbare Regelung nicht, wenn auch die aktienrechtlichen Grundsätze bei Vertragsgestaltung und -auslegung häufig herangezogen wurden. Die Vorschrift wurde mit Inkrafttreten des Transparenz- und Publizitätsgesetzes zum 26.7.2002 ersatzlos aufgehoben, da sie als überflüssig und in der Praxis als wenig tauglich erachtet wurde. Dennoch finden sich in Tantiemevereinbarungen häufig noch entsprechende Regelungen.
Rz. 1441
Stellt die Tantiemevereinbarung entsprechend § 86 Abs. 2 AktG a.F. auf den Jahresüberschuss als Berechnungsgrundlage ab, handelt es sich im Zweifel um den handelsrechtlichen Jahresüberschuss gem. § 266 Abs. 3 A.V. HGB (Bilanz) bzw. gemäß § 275 Abs. 2 Nr. 17 bzw. Abs. 3 Nr. 16 HGB (Gewinn- und Verlustrechnung). Verlustvorträge aus den Vorjahren sind bei einer solchen Vereinbarung nach überwiegender Auffassung nicht ohne Weiteres vom Jahresüberschuss abzusetzen, so dass, falls deren Berücksichtigung gewünscht ist, eine entsprechende Regelung aufgenommen werden muss. Allerdings soll eine auch ohne ausdrückliche Einschränkung formulierte Tantiemevereinbarung dahingehend auszulegen sein, dass die Gewährung einer ergebnisabhängigen Tantieme für die Geschäftsführung dann nicht zu zahlen ist, wenn das eigentlich defizitäre Jahresergebnis nicht durch einen der Gesellschaft zufließenden Gewinn, sondern allein durch die Veräußerung von Gesellschaftsvermögen ausgeglichen wird.
Rz. 1442
Auf den steuerlichen Gewinn wird zur Berechnung der Tantieme nur dann abgestellt, wenn dies ausdrücklich vereinbart ist. So ist es zulässig, den "steuerlichen Reingewinn", mithin den zu versteuernden Gewinn als Berechnungsgrundlage heranzuziehen. Insoweit wird überwiegend eine Berechnung auf der Basis des körperschaftssteuerlichen Gewinns empfohlen. Verlustvorträge werden in diesem Fall gewinnmindernd berücksichtigt. Hierbei sollte jedoch klargestellt werden, ob die Tantiemezahlungen der Berechnungsgrundlage hinzuzurechnen sind, da diese anderenfalls als Betriebsausgaben die Tantiemezahlung zu Lasten des Arbeitnehmers verringern. Auch steuerrechtliche Rückstellungen und deren nachträgliche Auflösung verzerren das tatsächliche unternehmerische Ergebnis und sollten deshalb bei der Berechnung außer Acht bleiben.
Rz. 1443
In gleicher Weise werden bei der Anknüpfung der Tantieme an den Deckungsbeitrag 2 (DB II) Abschreibungen und Rückstellungen als Fixkosten im Ergebnis tantiememindernd berücksichtigt, was bei der Vertragsgestaltung bedacht werden sollte.
Rz. 1444
Denkbar ist auch, die Tantieme an den erzielten Umsatz zu koppeln. Dies führt allerdings zu einer verzerrten Erfolgsbetrachtung, da die Einnahmesituation völlig unabhängig von der Kostenbelastung bewertet wird; darüber hinaus besteht die Gefahr, dass mit einer umsatzabhängigen Tantieme eine Motivation zur Umsatzsteigerung ohne Rücksicht auf die damit verbundenen Kosten und die sonstigen Interessen des Unternehmens gesetzt wird. Eine solche Regelung wird daher allenfalls dann in Betracht kommen, wenn das Unternehmen etwa aufgrund hoher Investitionen in absehbarer Zeit keine Gewinne erzielen wird. Auch in diesem Fall lassen sich jedoch mit gewinnabhängigen Tantiemen sachgerechte Ergebnisse erzielen, indem bspw. bestimmte Investitionsausgaben bei der Berechnung des Gewinns unberücksichtigt bleiben.
Rz. 1445
In Reaktion auf die weltweite Krise der Finanzmärkte, als deren Ursache u.a. sachwidrige Vergütungssysteme angesehen wurden, standen die Ausgestaltung variabler Vergütungssysteme im Fokus verschiedener Regelungsvorgaben. Für Vorstände von Aktiengesellschaften bestimmt § 87 Abs. 1 S. 1 AktG, dass die Gesamtbezüge in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben und Leistungen des Vorstandsmitglieds und zur Lage der Gesellschaft stehen und die übliche Vergütung ...