Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 1118
Da die einleitend dargestellte Verteilung der Darlegungs- und Beweislast, die mit § 619a BGB bestätigt worden ist, nach Auffassung des BAG jedenfalls zugunsten des Arbeitnehmers zwingend ausgestaltet ist, kann von diesen Grundsätzen arbeitsvertraglich nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers abgewichen werden. In Formularverträgen steht einer Verlagerung der Beweislast überdies § 309 Nr. 12 BGB entgegen, demgemäß von gesetzlichen oder richterrechtlichen Beweislastregeln nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers abgewichen werden darf (vgl. Rdn 701 ff.). Für den Arbeitnehmer nachteilige vertragliche Regelungen zur Beweisverteilung sind daher auch in Mankofällen nur zulässig, soweit sie die materielle Rechtslage widerspiegeln.
Rz. 1119
Mit dem Beispiel "Mankohaftung, Beweislast" wird eine Beweisregelung in zweifacher Hinsicht getroffen. Der Fehlbestand in der Kasse des Arbeitnehmers soll das Vorliegen einer Pflichtwidrigkeit indizieren; zugleich wird dem Arbeitnehmer hinsichtlich des Verschuldens der Entlastungsnachweis auferlegt. Beides widerspricht der gesetzlichen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast, die durch die überwiegend als unabdingbar angesehene Regelung des § 619a BGB bestätigt worden ist: Das Indiz einer Pflichtverletzung kann aus dem Fehlbestand allenfalls hergeleitet werden, wenn der Arbeitnehmer alleinigen Zugang zu dieser hatte; dies darzulegen, obliegt aber dem Arbeitgeber. Der Arbeitgeber hat gleichermaßen das Verschulden des Arbeitnehmers und dabei insbesondere die den Grad des Verschuldens ausmachenden Tatsachen darzulegen und ggf. zu beweisen. Auch wenn daher in der Vergangenheit Vereinbarungen, nach denen sich der Arbeitnehmer bei Eintritt eines Fehlbestandes entlasten muss, als wirksam angesehen worden sind, lässt sich diese Auffassung nicht mehr aufrechterhalten.
Rz. 1120
Mit dem Beispiel "Mankohaftung, Beweislast, Variante" soll dem Arbeitgeber der ihm obliegende Nachweis, dass ein Manko überhaupt eingetreten ist, erleichtert werden, indem dem Arbeitnehmer das Bestreiten des Fehlbetrages unter bestimmten Voraussetzungen abgeschnitten wird. Auch diese in der Vergangenheit anerkannte Regelung verschlechtert die Beweissituation des Arbeitnehmers gegenüber der gesetzlichen Arbeitnehmerhaftung und ist deshalb nicht uneingeschränkt zulässig. Sollen die Inventurfeststellungen verbindlich gelten, sollte der Arbeitnehmer an dieser beteiligt und eine anschließende Erklärung des Arbeitnehmers über die Richtigkeit der Inventurergebnisse eingeholt werden.