Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 1654
Durch die Ausübung seines Direktionsrechts ist es dem Arbeitgeber möglich, die von dem Arbeitnehmer zu verrichtenden Tätigkeiten, ihre Reihenfolge sowie die Begleitumstände der Arbeit festzulegen. Üblicherweise werden die dem Arbeitnehmer obliegenden Aufgaben und Tätigkeiten in einer Stellenbeschreibung zusammengefasst, um den Arbeitsplatz in seiner Wertigkeit und seinen Anforderungen beweisbar zu beschreiben. Auch wenn der Arbeitgeber kraft seines Direktionsrechts grundsätzlich befugt ist, den Arbeitsbereich des Arbeitnehmers zu verkleinern, muss seine Maßnahme billigem Ermessen entsprechen (§ 315 Abs. 3 BGB). Dazu gehört, dass alle wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt sind. Grundsätzlich können die Parteien die Reichweite des Direktionsrechts im Vertrag vereinbaren. Wird ein Arbeitnehmer laut Arbeitsvertrag "im Lizenzspielerbereich in der Funktion des Reha- und Athletiktrainers" in einem Profifußballclub eingestellt, ist auch die Zuweisung des Trainings von Spielern im Nachwuchsleistungszentrum mit einer Lizenz vom Tätigkeitsinhalt des Arbeitsvertrags umfasst. Haben die Parteien keine bestimmte Tätigkeit, sondern lediglich eine allgemeine Beschreibung (z.B. Angestellter, Arbeiter) in den Vertrag aufgenommen, wie es besonders in den Musterverträgen des öffentlichen Dienstes häufig geschieht, kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer grundsätzlich alle im Rahmen der vereinbarten Vergütungsgruppe liegenden Tätigkeiten zuweisen. Das allgemeine Direktions- oder Weisungsrecht des Arbeitsgebers berechtigt diesen grundsätzlich nicht, dem Arbeitnehmer Tätigkeiten einer niedrigeren Vergütungsgruppe zu übertragen. Dies gilt nicht nur deshalb, weil damit regelmäßig eine Änderung der vertraglich zugesagten Vergütung verbunden ist. Auch die Art der Beschäftigung kann durch das allgemeine Direktionsrecht nicht unbegrenzt abgeändert werden. Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer eine bestimmte Funktion (Fachleiterin für den sprachlichen Fachbereich an einem Gymnasium) im Weg des Weisungsrechts (§ 106 S. 1 GewO, § 315 BGB) entziehen, wenn dieser Teil der Tätigkeit nicht Inhalt des Arbeitsvertrages der Parteien geworden ist und dem Arbeitnehmer im Rahmen billigen Ermessens eine Tätigkeit auch ohne diese Aufgabe zuweisen.
Im Rahmen der Zwangsvollstreckung eines Weiterbeschäftigungstitels nach § 888 ZPO ist der Einwand der Erfüllung beachtlich. Die Existenz eines Weiterbeschäftigungstitels schließt die Ausübung des Weisungsrechts durch den Arbeitgeber nicht aus. Es ist nicht Aufgabe des Zwangsvollstreckungsverfahrens zu prüfen, welche Tätigkeiten dem Arbeitnehmer vertragsgerecht zugewiesen werden können. Im Vollstreckungsverfahren ist zu überprüfen, ob der Gläubiger der Verpflichtung aus dem Titel entsprechend beschäftigt wird, nicht aber, worin diese Verpflichtung besteht. Ist die Art der Beschäftigung in dem Titel nur schlagwortartig und relativ unbestimmt bezeichnet, können Unklarheiten, welche zugewiesenen Tätigkeiten noch zum maßgeblichen Berufsbild oder der im Titel enthaltenen Funktionsbezeichnung gehören, angesichts des grundsätzlich weiten Weisungsrechts zulasten des Antragstellers gehen.
Rz. 1655
Der Arbeitgeber ist berechtigt, den Arbeitnehmer zur Teilnahme an (Personal-)Gesprächen zu verpflichten, in denen er Weisungen vorbereiten, erteilen oder ihre Nichterfüllung beanstanden will. Die Teilnahme an Gesprächen, die mit den im Gesetz genannten Zielen nicht im Zusammenhang stehen, wie zum Beispiel Gespräche, in denen es ausschließlich um Verhandlungen mit dem Ziel einer vom Arbeitnehmer bereits abgelehnten Vertragsänderung oder -aufhebung gehen soll, kann der Arbeitgeber allerdings nicht durch einseitige Anordnung zu der nach § 106 GewO verbindlichen Dienstpflicht erheben. Während der Dauer einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nur dann anweisen, zu einem Personalgespräch in den Betrieb zu kommen, wenn hierfür ein dringender betrieblicher Anlass besteht, der einen Aufschub der Weisung auf einen Zeitpunkt nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit nicht gestattet, und die persönliche Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb dringend erforderlich ist und ihm zugemutet werden kann. Eine auf die Verweigerungshaltung des Arbeitnehmers gestützte Abmahnung ist unberechtigt.
Der Arbeitnehmer ist grundsätzlich auch verpflichtet, an einer Mitarbeiterbefragung teilzunehmen, sofern die Teilnahme von dem Weisungsrecht des Arbeitgebers gemäß § 106 GewO gedeckt ist. Der Arbeitgeber kann auch in einem Wissenschaftsbetrieb Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen im Rahmen des Arbeitsvertrags näher bestimmen, insbesondere die Teilnahme an Arbeitsberatungen oder die Erstellung wissenschaftlicher Berichte anordnen. Kommt der Arbeitnehmer diesen Weisungen trotz Abmahnung nicht nach, kann eine ordentliche, verhaltensbedingte Kündigung gerechtfe...