Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 1717
Seiner Umsetzungspflicht ist der deutsche Gesetzgeber mit dem am 2.7.2023 in Kraft getretenen Hinweisgeberschutzgesetz mit erheblicher Verspätung nachgekommen. Beklagt wird die teilweise nur "halbherzige" Umsetzung der Richtlinie, aber auch, dass das HinSchG über die unionsrechtlichen Vorgaben bisweilen deutlich hinausgeht.
Rz. 1718
In persönlicher Hinsicht regelt das HinSchG den Schutz hinweisgebender Personen. Dies sind nach § 1 HinSchG natürliche Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über bestimmte Verstöße erlangt haben und diese den im Gesetz vorgesehenen Meldestellen melden oder offenlegen. Erfasst sind damit insbesondere auch Bewerber, ehemalige Beschäftigte sowie Zeitarbeitskräfte, die sich an eine der im HinSchG genannten externe oder interne Meldestellen wenden. Der sachliche Anwendungsbereich umfasst zunächst Verstöße in den Bereichen gemäß Art. 2 Abs. 1 RL 2019/1937/EU, insbesondere öffentliches Auftragswesen, Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, Produktsicherheit und -konformität, Umwelt-, Gesundheits- und Datenschutz. Der deutsche Gesetzgeber hat aber auch von der durch Abs. 2 eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Schutz auf Bereiche oder Rechtsakte auszudehnen, die nicht unter Abs. 1 fallen. So gilt das HinSchG auch für die Meldung und Offenlegung von Informationen über strafbewehrte Verstöße sowie bestimmte bußgeldbewehrte Verstöße, vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 HinSchG. Im Fall des Vorrangs von Sicherheitsinteressen sowie Verschwiegenheits- und Geheimhaltungspflichten fallen die Meldung oder Offenlegung nicht in den Anwendungsbereich des HinSchG, vgl. § 5 Abs. 1 und 2 HinSchG. Beinhaltet eine Meldung oder Offenlegung ein Geschäftsgeheimnis i.S.v. § 2 Nr. 1 GeschGehG, ist die Weitergabe unter den in § 6 HinSchG genannten Voraussetzungen erlaubt. Erfolgen kann die Meldung an eine interne Meldestelle gemäß § 12 HinSchG oder eine externe Meldestelle gemäß §§ 19 ff. HinSchG. Den Vorgaben der RL 2019/1937/EU folgend appelliert § 7 Abs. 1 S. 2 HinSchG an hinweisgebende Personen in Fällen, in denen intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und sie keine Repressalien befürchten, sich bevorzugt an eine interne Meldestelle zu wenden. Die Meldestellen haben die Vertraulichkeit der Identität der hinweisgebenden Person, der Personen, die Gegenstand der Meldung sind, sowie der sonstigen in der Meldung genannten Personen zu wahren, § 8 HinSchG. Dies gilt nach § 11 HinSchG bereits für die in einer Meldestelle zur Entgegennahme von Meldungen zuständige Personen. Die Identität einer hinweisgebenden Person, die vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Informationen über Verstöße meldet, wird nach § 9 Abs. 1 HinSchG nicht geschützt. Die Weitergabe von Informationen über die Identität einer hinweisgebenden Person oder über Umstände, die Rückschlüsse auf ihre Identität zulassen, regelt § 9 Abs. 2 und 3 HinSchG, die Weitergabe von Informationen über die Identität von Personen, die Gegenstand einer Meldung sind, und von sonstigen in der Meldung genannten Personen § 9 Abs. 4 HinSchG.
Rz. 1719
§ 12 HinSchG verpflichtet Beschäftigungsgeber mit regelmäßig mindestens 50 Beschäftigten zu Einrichtung und Betrieb einer internen Meldestelle. Zur Organisationsform sieht § 14 Abs. 1 HinSchG vor, dass eine bei dem Beschäftigungsgeber oder der jeweiligen Organisationseinheit beschäftigte Person, eine aus mehreren Beschäftigten bestehende Arbeitseinheit oder ein Dritter mit den Aufgaben einer internen Meldestelle betraut wird. Für Beschäftigungsgeber mit 50 bis 249 Beschäftigten ist auch die Bildung und der Betrieb einer gemeinsamen Meldestelle möglich, vgl. § 14 Abs. 2 HinSchG. Sowohl bei der Betrauung eines Dritten als auch im Fall einer gemeinsamen Meldestelle bleibt der Beschäftigungsgeber jeweils verpflichtet, selbst geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um den etwaigen Verstoß abzustellen. In jedem Fall haben die beauftragten Personen über die notwendige Fachkunde zu verfügen. Die internen Meldestellen haben Meldekanäle nach den Vorgaben von § 16 HinSchG einzurichten. Vorgaben zum Zugriff auf Meldungen enthält § 16 Abs. 2 HinSchG. Den genauen Verfahrensablauf nach Eingang einer Meldung bestimmt § 17 HinSchG. Insbesondere hat spätestens nach sieben Kalendertagen eine Eingangsbestätigung zu erfolgen. Ferner ist zu prüfen, ob die Meldung in den sachlichen Anwendungsbereich des HinSchG fällt und ob die Meldung stichhaltig ist. Erforderlichenfalls ist die hinweisgebende Person um weitere Informationen zu ersuchen. Zudem ist der hinweisgebenden Person innerhalb von drei Monaten eine Rückmeldung hinsichtlich geplanter sowie bereits ergriffener Folgemaßnahmen sowie der Gründe zu geben. Die Rückmeldung darf nach § 17 Abs. 2 HinSchG aber nur insoweit erfolgen, als dadurch interne Nachforschungen oder Ermittlungen nicht berührt und die Rechte de...