Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 1393
Handelt es sich bei der Sonderzahlung um einen reinen Entgeltanspruch, so teilt sie das Schicksal der übrigen Vergütung des Arbeitnehmers. So ist die Sonderzahlung etwa für Zeiten der Entgeltfortzahlung bei Krankheit oder Mutterschutz zu gewähren. Scheidet der Arbeitnehmer vor der vereinbarten Fälligkeit und dem definierten Bezugszeitraum der Leistung aus dem Arbeitsverhältnis aus, so steht ihm ein (nur) zeitanteiliger Anspruch auf die Sonderzahlung zu. Entfällt demgegenüber die Pflicht des Arbeitgebers zur Entgeltfortzahlung, etwa bei lang andauernder, den Entgeltfortzahlungszeitraum überschreitender Krankheit oder bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses während der Elternzeit oder des Wehrdienstes, so besteht auch kein Anspruch auf die Sonderzahlung. Der Grundsatz der pro-rata-Leistung muss vertraglich nicht festgelegt werden, da er sich bereits aus dem vertraglichen Austauschverhältnis von Vergütung und Arbeitsleistung ergibt. Zur Betonung des Entgeltcharakters einer Sonderzahlung sollte er dennoch in die vertragliche Vereinbarung mit aufgenommen werden.
Rz. 1394
Eine Sonderzahlung mit Gratifikationscharakter ist demgegenüber grds. unabhängig von dem Umfang der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung. Eine Sonderzahlung, die die Betriebstreue zu belohnen bestimmt ist, ist auch für Zeiten zu zahlen, in denen keine Arbeitsleistung erbracht wurde oder in denen das Arbeitsverhältnis geruht hat, etwa während der Elternzeit oder bei Krankheit nach Ablauf der Entgeltfortzahlung. Dies gilt selbst dann, wenn im Bezugszeitraum überhaupt keine Arbeitsleistung erbracht worden ist; eine einseitige Kürzung für Fehlzeiten ist bei Sonderzahlungen mit reinem Gratifikationscharakter ausgeschlossen. Allerdings kann zur Betonung des Entgelt- und somit des Mischcharakters der Leistung ein Kürzungsrecht für Zeiträume ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt zulässigerweise vereinbart werden (vgl. hierzu auch Rdn 300 ff.). Voraussetzung des Zahlungsanspruchs ist in der Regel nur der Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Stichtag. Endet allerdings das Arbeitsverhältnis vor dem vereinbarten Stichtag, so entsteht vorbehaltlich einer anderweitigen Vereinbarung kein, auch kein anteiliger Anspruch auf die Sonderzahlung. Dies gilt selbstredend nur dann, wenn die arbeitsvertraglich vereinbarte Stichtagsklausel nach den nachfolgenden Grundsätzen wirksam vereinbart ist, sie insbesondere einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle standhält.