Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 742
Bei der – i.d.R. jährlich – festzusetzenden Höhe der Bonuszahlung muss der Arbeitgeber billiges Ermessen i.S.d. § 315 Abs. 1 BGB wahren. Eine einseitige Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind. Maßgeblich ist hierbei der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat. Für die Ausübung billigen Ermessens setzen die individual- oder kollektivvertraglich beschriebenen abstrakten Kriterien Maßstäbe, sodass der Arbeitgeber diese Kriterien bei der Leistungsbestimmung jedenfalls in seine Erwägungen einfließen lassen muss, wobei er aber weder an eine bestimmte Gewichtung der definierten Kriterien gebunden noch daran gehindert ist, weitere, vertraglich nicht geregelte Kriterien bei seiner Ermessensausübung zu berücksichtigen. Innerhalb des dem Arbeitgeber eingeräumten Beurteilungsspielraums stehen dem Arbeitgeber daher i.d.R. mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung, unter denen er eine Auswahl treffen kann, wobei er jedoch im Fall einer kollektiven Ermessensbonusgewährung den allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten hat.
Rz. 743
Ob die Bonusfestsetzung des Arbeitgebers im Einzelfall der Billigkeit entspricht, unterliegt gem. § 315 Abs. 3 S. 2 BGB der vollen gerichtlichen Überprüfung, wobei der maßgebliche Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle der Zeitpunkt ist, zu dem die Ermessensentscheidung zu treffen war. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen erfolgt ist, trägt – unter Berücksichtigung des ihm eingeräumten Beurteilungsspielraums – der Arbeitgeber als Bestimmungsberechtigter. Hierbei gilt jedoch ein abgestuftes System der Darlegungslast: Zunächst muss der Arbeitgeber die Erwägungen, die (insbesondere vor dem Hintergrund der vertraglich definierten Kriterien) zu seiner Ermessensentscheidung geführt haben, darlegen. Erst wenn sodann der Arbeitnehmer bestimmte Bewertungen bestreitet, ist der Arbeitgeber verpflichtet, diese mit substantiiertem Tatsachenvortrag zu begründen. Bestreitet der Arbeitnehmer eine solchen Vortrag anschließend substantiiert auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Informationen, hat der Arbeitgeber die Richtigkeit seiner Bewertung zu beweisen. Bei den hierbei anzusetzenden Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast ist stets zu berücksichtigen, dass dem Arbeitgeber bei der Bonusfestsetzung ein Beurteilungsspielraum zusteht, der insbesondere bei "weichen" Kriterien, wie z.B. der Bewertung des Führungsverhaltens oder des Umgangs mit Kunden, stark ausgeprägt ist. Kommt das Arbeitsgericht zu dem Ergebnis, die Bonusfestsetzung des Arbeitgebers entspreche nicht billigem Ermessen i.S.d. § 315 Abs. 1 BGB, ist diese für den Arbeitnehmer unverbindlich und wird die Höhe der Bonuszahlung durch Urteil festgesetzt (§ 315 Abs. 3 S. 2 BGB). Diese richterliche Ersatzleistungsbestimmung ist auf der Grundlage des Prozessvortrags der Parteien zu treffen. Eine Darlegungs- und Beweislast im prozessualen Sinne besteht insoweit zwar nicht, jedoch ist jede Partei gehalten, die für ihre Position sprechenden Umstände vorzutragen, weil das Gericht nur die ihm bekannten Umstände in seine Bestimmung einbringen kann. Bringt der Arbeitgeber bestimmte Aspekte, die in seinem Konzept der Leistungsbestimmung möglicherweise zu berücksichtigen wären, nicht ein, können sie nicht berücksichtigt werden und geht dies zu seinen Lasten, führt also nicht zur Entstehung einer besonderen Darlegungslast für den klagenden Arbeitnehmer. Dieser hat lediglich im eigenen Interesse die Obliegenheit, die für ihn günstigen Umstände vorzutragen. Lediglich ausnahmsweise hat gem. § 287 ZPO analog eine Festsetzung zu unterbleiben, wenn es auch nach vollständiger Ausschöpfung des Prozessstoffs an jeglichen greifbaren Anhaltspunkten für die Leistungsbestimmung fehlt.