Schadensersatz wegen fehlender Zielvereinbarung

Wenn laut Arbeitsvertrag Ziele für eine erfolgsabhängige variable Vergütung vereinbart werden sollen, darf sich ein Arbeitgeber nicht vorbehalten, die Ziele ohne Verhandlung einseitig festzulegen. Eine entsprechende AGB-Klausel hat das BAG für unwirksam erklärt.

Zielvorgaben als Voraussetzung für eine erfolgsabhängige Vergütung werden vom Arbeitgeber allein festgelegt. Zielvereinbarungen müssen dagegen von Arbeitgeber und Arbeitnehmenden einvernehmlich getroffen werden. Wenn sich ein Arbeitgeber vertraglich zu Letzterem verpflichtet, sollte er nicht versäumen, die entsprechenden Verhandlungen zur Festlegung der Ziele zu führen. Er sollte dem Mitarbeitenden dabei auch ermöglichen, auf die Festlegung der Ziele Einfluss zu nehmen. Ansonsten kann es teuer werden. Das Bundesarbeitsgericht sprach einem Arbeitnehmer wegen der fehlenden Zielvereinbarung einen Anspruch auf Schadensersatz zu. Die Klausel, mit der der Arbeitgeber sich vorbehalten hatte, die Ziele notfalls einseitig festlegen zu können, erklärte das Gericht für unwirksam.

Der Fall: Arbeitnehmer fordert Schadensersatz für entgangene variable Vergütung

Der Arbeitnehmer wurde ab Mitte März 2020 als Director Development im Bereich Schiffe beschäftigt. Für seine Tätigkeit sollte er ein Grundjahresgehalt erhalten sowie eine erfolgsabhängige variable Vergütung (Tantieme). Im Arbeitsvertrag wurde fixiert, dass die Ziele, die für das Erreichen der Tantieme erforderlich sind, jährlich von Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam festgelegt werden sollten. Sollten diese nicht vereinbart werden können, dürfe der Arbeitgeber sie selbst festlegen. Ab Juni 2020 forderte der Arbeitnehmer den Arbeitgeber auf, mit ihm über die Ziele zu verhandeln. Den Vorschlag des Arbeitgebers hielt der Arbeitnehmer für unangemessen, der Arbeitgeber akzeptierte wiederum die Vorstellungen des Arbeitnehmers nicht. In der Folge gelang es nicht, einvernehmlich Zielvereinbarungen für das Erreichen einer erfolgsabhängigen Tantieme festzulegen. Ende August 2020 übermittelte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einseitig von ihm festgelegten Zielvorgaben.

Arbeitsverhältnis endet ohne Tantieme

Das Arbeitsverhältnis endete durch ordentliche und fristgerechte Kündigung des Arbeitnehmers zum 31. Dezember 2020, wobei der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keine Tantieme zahlte. Dieser forderte im Nachhinein die Zahlung einer Tantieme in der Höhe von rund 100.000 Euro. Der Arbeitgeber verweigerte dies, da er berechtigt gewesen sei, die Zielvorgabe einseitig nach billigem Ermessen festzulegen. Er berief sich auf den Arbeitsvertrag, der für eine einseitige Zielvorgabe einzig voraussetze, dass Ziele nicht vereinbart worden seien.

BAG: Arbeitgeber muss Schadensersatz leisten

Das BAG stellte fest, dass der Arbeitnehmer wegen ihm entgangener erfolgsabhängiger variabler Vergütung ("Tantieme") für das Kalenderjahr 2020 aufgrund einer fehlenden Zielvereinbarung einen Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber hat. Die Höhe legte das BAG auf rund 83.000 Euro fest.

Der Arbeitgeber habe schuldhaft seine Pflicht verletzt, mit dem Arbeitnehmer eine Zielvereinbarung für das Jahr abzuschließen. Die Zielvorgabe habe er nicht einseitig festlegen dürfen., entschied das Gericht. Die entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag sei unwirksam, da sie den Arbeitnehmer gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs.2 BGB unangemessen benachteilige. Als Grund nannten die Erfurter Richter, dass die Klausel dem Arbeitgeber ermögliche, die vertraglich vereinbarte Rangfolge von Zielvereinbarung und Zielvorgabe zu unterlaufen.

Zielvereinbarung abschließen ist vertragliche Pflicht

Grundsätzlich sei ein Arbeitgeber zwar berechtigt, einseitig Ziele vorzugeben, die der Arbeitnehmer erfüllen müsse, um eine erfolgsabhängige variable Vergütung zu erhalten, stellte das BAG fest. Habe er sich aber einmal vertraglich verpflichtet, mit dem Arbeitnehmer für eine Zielperiode Ziele zu vereinbaren, an deren Erreichen eine Tantieme- oder Bonuszahlung geknüpft ist, könne er diese Vertragspflicht regelmäßig nur erfüllen, wenn er mit dem Arbeitnehmer Verhandlungen über den Abschluss einer Zielvereinbarung führt und es diesem ermögliche, auf die Festlegung der Ziele Einfluss zu nehmen. Diese Pflicht habe der Arbeitgeber vorliegend schuldhaft verletzt.


Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 3. Juli 2024, Az. 10 AZR 171/23; Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 16. Januar 2023, Az. 5 Sa 14/22


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