Schadensersatz wegen verspäteter Zielvorgabe

Arbeitgeber müssen Ziele, von denen eine variable Vergütung abhängt, rechtzeitig vorgeben. Eine verspätete Zielvorgabe kann ihre Motivations- und Anreizfunktion nicht mehr sinnvoll erfüllen, urteilte das BAG. Beschäftigte können dann Schadensersatz fordern.

Zielvorgaben oder Zielvereinbarungen für eine leistungsabhängige variable Vergütung sollen Anreiz und Motivation für Beschäftigte sein. In ständiger Rechtsprechung geht das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass eine Zielvereinbarung spätestens nach Ablauf der Zeit, für die ein Arbeitgeber mit einem Arbeitnehmer Ziele zu vereinbaren hat, nicht mehr möglich ist. Was gilt, wenn eine Zielvorgabe des Arbeitgebers erst erfolgt, wenn das Geschäftsjahr bereits zu drei Vierteln vorbei ist, hatte das BAG vorliegend zu entscheiden und kam zu dem Ergebnis: Auch eine verspätete Zielvorgabe ergibt keinen Sinn mehr. Arbeitnehmende haben in der Folge einen Anspruch auf Schadensersatz.

Der Fall: Schadensersatz wegen verspäteter Zielvorgabe

Der Arbeitnehmer war im konkreten Fall von 2016 bis 2019 als Head of Advertising mit entsprechender Führungsverantwortung beschäftigt. Im Arbeitsvertrag war die Vergütung folgendermaßen geregelt:

Der Arbeitnehmer erhält für seine Tätigkeit ein Jahreszielgehalt in Höhe von 95.000 Euro bei 100 Prozent Zielerreichung. Das Zielgehalt setzt sich aus einem Bruttofixgehalt in Höhe von 66.500 Euro und einer variablen Vergütung in Höhe von brutto 28.500 Euro bei 100 Prozent Zielerreichung zusammen. Diese Ziele sollten zeitnah und immer zu Beginn eines Geschäftsjahres vom Vorgesetzten festgelegt werden. Ab 2019 legte dann eine Betriebsvereinbarung zur variablen Vergütung fest, dass die jeweiligen Mitarbeitenden Anfang März eines Kalenderjahres eine zuvor zu besprechende Zielvorgabe erhalten. Diese sollte sich aus den Unternehmenszielen und individuellen Zielen zusammensetzen.

Vorliegend kommunizierte der Arbeitgeber erst im Oktober konkrete Zahlen zu den Unternehmenszielen einschließlich deren Gewichtung und des Zielkorridors. Eine Vorgabe individueller Ziele für den Arbeitnehmer erfolgte gar nicht.

Im November kündigte der Mitarbeiter und erhielt für das Jahr 2019 eine variable Vergütung in Höhe von rund 15.600 Euro. Zu wenig nach seiner Auffassung. Vor Gericht machte er geltend, dass die Zielvorgabe zu spät und nicht korrekt erfolgt sei. Er verlangte weitere rund 16.000 Euro. Der Arbeitgeber verwies darauf, dass er die Unternehmensziele bereits früher in einer Präsentation auf einem Head Meeting bekannt gegeben habe.

BAG: Schadensersatz aufgrund verspäteter Zielvorgabe

Das BAG stellte fest, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Arbeitgeber in der begehrten Höhe hat. Damit bestätigte es das Urteil der Vorinstanz: Wie vom Landesarbeitsgericht Köln zu Recht erkannt, ergebe sich ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1, Abs. 3 BGB iVm. § 283 Satz 1 BGB wegen nicht rechtzeitig erfolgter Zielvorgabe für das Geschäftsjahr 2019.

Das BAG wies darauf hin, dass der Arbeitgeber verpflichtet war, eine den Regelungen der Betriebsvereinbarung entsprechenden Zielvorgabe zu machen. Diese Verpflichtung zu einer Zielvorgabe für das Jahr 2019 habe er schuldhaft verletzt, indem er dem Arbeitnehmer keine individuellen Ziele vorgegeben und ihm die Unternehmensziele erst verbindlich mitteilte, nachdem bereits etwa 3/4 der Zielperiode abgelaufen waren.

Ziele nicht mehr erfüllbar

Zu diesem späten Zeitpunkt im Geschäftsjahr war die Motivations- und Anreizfunktion, die eine Zielvorgabe hat, nach Auffassung des BAG nicht mehr möglich. Eine nachträgliche gerichtliche Leistungsbestimmung komme daher auch nicht in Betracht.

Das Gericht hatte sodann die Höhe des zu ersetzenden Schadens im Wege der Schätzung zu ermitteln. Es ging davon aus, dass der Arbeitnehmer bei einer entsprechenden Zielvorgabe die Unternehmensziele zu 100 Prozent und die individuellen Ziele entsprechend dem Durchschnittswert von 142 Prozent erreicht hätte. Zur Erklärung fügte es hinzu, dass Arbeitgeber keine besonderen Umstände geschildert habe, die diese Annahme ausschließen würden. Der Arbeitnehmer musste sich auch kein Mitverschulden wegen fehlender Mitwirkung anrechnen lassen,  machte das Gericht deutlich: Allein der Arbeitgeber sei verantwortlich für die Vorgabe der Ziele.  


Hinweis: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. Februar 2025, Az. 10 AZR 57/24; LAG Köln, Urteil vom 6. Februar 2024, Az: 4 Sa 390/23


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