Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 797
Dienstkleidung muss nicht unbedingt durch den Arbeitgeber beschafft werden. Zwar ist dies insbesondere bei stark individualisierter Dienstkleidung, die z.B. mit Logos, etc. bestickt ist, üblich. Denkbar sind aber auch Regelungen, wonach die Arbeitnehmer lediglich eine Vorgabe hinsichtlich Farbe und Schnitt erhalten und im Übrigen die Dienstkleidung selber beschaffen dürfen/müssen. Eine solche Regelung in Arbeitsverträgen unterliegt grundsätzlich, wie auch die Verpflichtung zum Tragen, insgesamt der Rechtskontrolle. Die Regelung greift in die allgemeine Handlungsfreiheit des Arbeitnehmers nach Art. 2 Abs. 1 GG ein. Sie muss zur Erreichung des gewünschten Ziels – bspw. des einheitlichen Auftritts aller Arbeitnehmer– geeignet und erforderlich sein und ein berechtigtes arbeitgeberseitiges Interesse verfolgen. Die Verpflichtung zur Selbstbeschaffung von Dienstkleidung ist zur Erreichung der Zwecke jedenfalls geeignet, wenn sie hinreichend konkretisiert ist. Sie ist erforderlich, wenn es kein milderes Mittel gibt. Hierzu hat sich die Rechtsprechung grundsätzlich auf den Standpunkt gestellt, dass die Möglichkeit der Beschaffung durch den Arbeitgeber selbst kein grundsätzlich milderes Mittel gegenüber der Selbstbeschaffung durch den Arbeitnehmer ist. Denn die Selbstbeschaffung durch den Arbeitnehmer bringt den Vorteil mit sich, dass der Arbeitnehmer die Möglichkeit erhält, seine individuellen Vorstellungen einzubringen und insbesondere Hersteller, Schnitt, Material, Verkaufsgeschäft und damit gegebenenfalls auch den Preis selber bestimmen zu können. Aus diesem Grunde ist die Selbstbeschaffung bereits grundsätzlich nicht vergleichbar mit der Beschaffung durch den Arbeitgeber.
Rz. 798
Eine Regelung, die die Arbeitnehmer zur Selbstbeschaffung verpflichtet, ist in der Regel auch verhältnismäßig. Die mit ihr einhergehenden Verpflichtungen zum Verbrauch von Freizeit für die Beschaffung und gegebenenfalls zur Vorlage der notwendigen Kosten stehen nach der Rechtsprechung in der Regel in einem angemessenen Verhältnis zu der hiermit einhergehenden weiteren Möglichkeit, nämlich eben Einfluss auf die Auswahl des Materials etc. zu nehmen. Allerdings darf die Regelung nicht beinhalten, dass der Arbeitnehmer in unzulässiger Weise die Kosten der Dienstkleidung zu tragen hat, s.u. Rdn 800 ff.
Rz. 799
Dient die Dienstkleidung ausschließlich funktionalen Zwecken im Sinne des Arbeitsschutzes, wird der Arbeitgeber in der Regel ein eigenes Interesse daran haben, die Kleidung selbst zur Verfügung zu stellen oder zumindest konkret Herstellertyp und Anforderungen nach DIN/CE festzulegen. Hierzu ist der Arbeitgeber aufgrund seiner grundsätzlichen Verantwortlichkeiten aus dem Arbeitsschutzrecht berechtigt.