§ 1a Individualarbeitsrecht – Teil 1 / bb) Vorliegen allgemeiner Geschäftsbedingungen

Rz. 181

Nur AGB unterliegen einer Kontrolle am Maßstab der §§ 305 ff. BGB. Ihr Vorliegen ist bei Arbeitsverträgen der Regelfall. Es erfordert gem. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB zunächst eine Vertragsbedingung. Dieser Begriff ist weit zu verstehen; auf den Inhalt der Regelung kommt es nicht an. Einseitige Willenserklärungen enthalten grundsätzlich keine AGB.^[394] Dementsprechend ist die Kündigung keine Vertragsbedingung.^[395] Hingegen kann es sich nach dem BAG um AGB handeln, wenn eine einseitige rechtsgeschäftliche Erklärung des Verwenders den Vertragsinhalt regelt.^[396] Dies hat das BAG beispielsweise für eine Wiedereinstellungszusage bejaht.^[397] Die Vertragsbedingung muss ferner vorformuliert sein. Bereits aus dem Inhalt und äußeren Erscheinungsbild des Vertrags kann sich ein vom Arbeitgeber zu widerlegender Anschein dafür ergeben, dass die Vertragsbedingungen zur Mehrfachverwendung formuliert worden sind.^[398] Ihre schriftliche Fixierung vor Vertragsschluss ist nicht erforderlich.^[399] Es genügt, wenn der Verwender eine Klausel "im Kopf gespeichert" hat und sie bei der Vertragsgestaltung erstmalig schriftlich niederlegt.^[400] Ausreichend ist ebenso die Verwendung eines von dritter Seite vorformulierten Vertragsformulars.^[401] Die Form der Vertragsbedingung ist gleichfalls ohne Bedeutung. Auch mündliche oder stillschweigende Abreden können AGB sein.^[402] Deshalb unterliegen z.B. auch die Bedingungen einer – schriftlich nicht fixierten – betrieblichen Übung der AGB-Kontrolle.^[403]

Rz. 182

Die Vorformulierung muss weiterhin für eine Vielzahl von Fällen erfolgt sein. Hierfür reicht es aus, wenn der Arbeitgeber oder ein Dritter die Absicht hat, die Vertragsbedingung für mindestens drei Vertragsabschlüsse zu verwenden.^[404] Etwas anderes gilt bei Verbraucherverträgen. Dort unterliegen auch sog. Einmalbedingungen gem. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB einer eingeschränkten AGB-Kontrolle. Dabei handelt es sich um solche Vertragsklauseln, die nur zur einmaligen Verwendung bestimmt sind, auf die der Arbeitnehmer aber aufgrund der Vorformulierung keinen Einfluss nehmen konnte. Eine die Kontrolle ausschließende Einflussnahmemöglichkeit des Arbeitnehmers erkennt das BAG nur unter strengen Voraussetzungen an: Der Arbeitgeber muss die Klausel ernsthaft zur Disposition stellen und dem Arbeitnehmer damit Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner Interessen einräumen.^[405] Diese Rechtsprechung ist nicht unproblematisch. Sie bedingt im Ergebnis, dass es an einer Einflussnahmemöglichkeit nur fehlt, wenn gleichzeitig ein "Aushandeln" i.S.d. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB vorliegt.^[406] Im Schrifttum ist genau dies umstritten.^[407]

Rz. 183

Des Weiteren muss der Arbeitgeber als Verwender die Vertragsbedingung stellen. Bei Verbraucherverträgen wird dies gem. § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB vermutet, es sei denn, dass der Arbeitnehmer sie in den Vertrag eingeführt hat. Ansonsten ist ausschlaggebend, ob der Arbeitgeber die Einbeziehung der Vertragsbedingung konkret verlangt hat.^[408] AGB liegen nicht vor, wenn die Vertragsbedingungen zwischen den Parteien im Einzelnen ausgehandelt sind, vgl. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB. Dies wird selten der Fall sein. Bloßes Verhandeln genügt nicht. Kontrollfreie Individualabreden nimmt das BAG erst dann an, wenn der Arbeitgeber die betreffende Klausel inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Arbeitnehmer Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt und zwar verbunden mit der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingung zu beeinflussen.^[409] Dafür muss sich der Arbeitgeber deutlich und ernsthaft zu gewünschten Änderungen an der zu treffenden Vereinbarung bereit erklären.^[410] Dem Arbeitnehmer muss dies bewusst sein.^[411] Auf die fehlende Möglichkeit zur Einflussnahme kann allerdings nicht allein deshalb geschlossen werden, weil der ursprüngliche Text bestehen bleibt.^[412] Die Befristung einer Arbeitszeitverringerung ist nicht allein deshalb ausgehandelt, weil sie auf den Wunsch des Arbeitnehmers erfolgte. Hinzukommen muss, dass der Arbeitnehmer die Verringerung der Arbeitszeit auch dann nur befristet vereinbart hätte, wenn ihm die unbefristete Verringerung angeboten worden wäre.^[413] Entsprechendes gilt für die befristete Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit.^[414] Ein Gesamtvertrag kann zugleich aus AGB und individuell ausgehandelten Bestimmungen bestehen.^[415]

[394] BAG 16.2.2023 – 6 AZR 95/22, NZA 2023, 924; BAG 20.1.2016 – 6 AZR 782/13, NZA 2016, 485.

[395] BAG 20.1.2016 – 6 AZR 782/14, NZA 2016, 485; BAG 15.12.2016 – 8 AZR 612/15, NZA 2017, 783.

[396] BAG 16.2.2023 – 6 AZR 95/22, NZA 2023, 924.

[397] BAG 16.2.2023 – 6 AZR 95/22, NZA 2023, 924.

[398] St. Rspr. des BAG, vgl. etwa BAG 27.1.2016 – 5 AZR 277/14, NJW 2016, 1979, 1980; BAG 24.9.2014 – 5 AZR 1024/12, NJW 2014, 3471, 3472; BAG 15.12.2011 – 7 AZR 394/10, NZA 2012, 674, 676; BAG 17.8.2011 – 5 AZR 406/10, NZA 2011, 1335, 1336; BAG 15.9.2009 – 9 AZR 757/08, NZA 2009, 1333, 1335; BAG 18.12.2008 – 8 AZR 81/08, NZA-RR 2009, 519, 520 f.

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