Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 291
Beispiele
Variante 1
Erkrankt der Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Urlaubsanspruch angerechnet, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit nicht unverzüglich anzeigt und durch ärztliche Bescheinigung nachweist. Dies gilt nicht für den gesetzlichen Mindesturlaub.
Variante 2
Der Arbeitnehmer erhält neben dem gesetzlichen Mindesturlaub einen zusätzlichen Urlaubsanspruch von zehn Arbeitstagen jährlich. Der Zusatzurlaub mindert sich um die Anzahl der Krankheitstage, die nicht durch eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachgewiesen sind, oder die an Tagen unmittelbar vor oder nach arbeitsfreien Tagen (z.B. Freischicht, Urlaub, Wochenende, Feiertag) auftreten.
Variante 3
Der Arbeitgeber ist berechtigt, von je fünf Tagen, an denen der Arbeitnehmer infolge einer Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation gem. § 9 EFZG an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, die ersten zwei Tage auf den vertraglichen Zusatzurlaub anzurechnen; die angerechneten Tage gelten als Erholungsurlaub, so dass kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt oder wenn der unmittelbare Anschluss der Maßnahme an eine Krankenhausbehandlung medizinisch notwendig ist.
aa) Dispositivität (nur) des vertraglichen Zusatzurlaubs
Rz. 292
Der gesetzliche Mindesturlaub für Arbeitnehmer beträgt gem. § 3 Abs. 1 BUrlG 24 Werktage. Dieser Anspruch ist gem. § 13 Abs. 1 BUrlG unabdingbar, so dass diesbezügliche Regelungen zu Lasten der Arbeitnehmer weder einzel- noch tarifvertraglich wirksam vereinbart werden können. Regelungen über die Anrechnung anderweitiger Zeiten auf den Erholungsurlaub sind daher grds. unwirksam, wenn sie zu einer Verschlechterung des gesetzlichen Anspruchs auf Mindesturlaub führen. Gestaltungsmöglichkeiten bestehen allerdings, soweit der gesetzliche Mindesturlaub, wie in der Praxis üblich, arbeitsvertraglich erhöht wird. Urlaubsansprüche, die den gesetzlichen Mindesturlaub überschreiten, unterliegen grds. der vollen und freie Disposition der Vertragsparteien. Auch die unionsrechtlichen Vorgaben gelten nur für den gesetzlichen Mindesturlaub und den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen. Sollen auf den vertraglichen Zusatzurlaub jedoch Regelungen angewandt werden, die von den gesetzlichen Grundsätzen abweichen, müssen diese eindeutig vereinbart werden; anderenfalls ist das Bundesurlaubsgesetz im Zweifel auch auf den vertraglichen Zusatzurlaub anzuwenden.
bb) Anrechnung von Krankheitstagen
Rz. 293
Bei der Anrechnung von Krankheits- und anderen Fehltagen auf den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers handelt es sich maßgeblich um eine Frage der Erfüllungswirkung. Der Urlaubsanspruch wird grds. bereits durch die verbindliche Festlegung des Urlaubs durch den Arbeitgeber erfüllt. Entfällt während des festgelegten Urlaubs aus anderen Gründen die Arbeitspflicht, so wird dem Arbeitgeber die Urlaubsgewährung zwar unmöglich, § 275 BGB, der Urlaubsanspruch erlischt bei fehlendem Vertretenmüssen des Arbeitgebers jedoch ersatzlos. Urlaubsstörende Ereignisse fallen daher als Teil des persönlichen Lebensrisikos grds. in den Risikobereich des Arbeitnehmers; sie werden auf den Urlaubsanspruch "angerechnet". Dies gilt nur dann nicht, wenn sich aus besonderen gesetzlichen Regelungen eine andere Risikoverteilung ergibt; so sind bspw. während des Urlaubs abzuleistende Einsatztage für das Technische Hilfswerk nicht auf den Urlaubsanspruch anzurechnen, da der Arbeitnehmer für den THW-Einsatz unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt werden müsste und die Anrechnung gegen das Benachteiligungsverbot des § 3 THW-Helferrechtsgesetz verstoßen würde. Ausnahmen gelten darüber hinaus in den Fällen, in denen das Gesetz die Anrechnung bestimmter Zeiten auf den Urlaubsanspruch ausdrücklich untersagt.
Rz. 294
Erkrankt der Arbeitnehmer während des Urlaubs, so verbietet § 9 BUrlG die Anrechnung der Krankheitszeiten auf den Urlaubsanspruch, wenn diese zur Arbeitsunfähigkeit führen und ärztlich nachgewiesen werden. Dies gilt auch dann, wenn die Krankheit den Erholungszweck objektiv nicht beeinträ...