Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 1542
Für vertrauliche Informationen, die die Voraussetzungen des Geschäftsgeheimnisses im Sinne des GeschGehG erfüllen, bietet die gesetzliche Regelung einen guten und umfassenden Schutz. Schwierigkeiten können sich allerdings ergeben für vertrauliche Informationen, die, gerade bei einem Fehlen von angemessenen Schutzmaßnahmen, die Voraussetzungen für den gesetzlichen Schutz nicht erreichen. Sind solche vertraulichen Informationen nun schutzlos?
Rz. 1543
Bislang ist ungeklärt, ob die gesetzliche Definition auch für die vertraglichen Verschwiegenheitspflichten gilt oder ob sie nur den Schutz der Geschäftsgeheimnisse nach dem GeschGehG betrifft. § 1 Abs. 3 Nr. 4 GeschGehG erklärt die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis für unberührt. Zudem definiert § 2 GeschGehG den Begriff des Geschäftsgeheimnisses lediglich "im Sinne dieses Gesetzes". Eine Kollisionslage besteht für die Definitionen also grundsätzlich nicht. Zum Teil wird in der Literatur dennoch davon ausgegangen, dass die Definition des § 2 Nr. 1 GeschGehG den traditionellen Begriff rechtstechnisch schlicht ersetze. Andere Teile der Literatur erkennen zwar an, dass das GeschGehG diesen verallgemeinernden Anspruch nicht verfolgt, mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG fordern sie gleichwohl eine Angleichung des allgemeinen Geschäftsgeheimnisbegriffs an denjenigen des GeschGehG.
Das überzeugt jedoch nicht. Grund für die arbeitsvertragliche Nebenpflicht, Geschäftsgeheimnisse zu wahren, ist die arbeitsvertragliche Treuepflicht. Diese vertragliche Rücksichtnahmepflicht verlangt von den Parteien, gegenseitig auf die Rechtsgüter und die Interessen der jeweils anderen Vertragspartei Rücksicht zu nehmen. Die Treuepflicht rechtfertigt es, eine Verpflichtung anzunehmen und vertraglich zu konkretisieren, selbst wenn keine objektiven Schutzmaßnahmen ergriffen wurden. Es können daher auch Vereinbarungen über den Schutz von vertraulichen Tatsachen unterhalb der Schwelle des GeschGehG vereinbart werden. Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das GeschGehG (etwa die Strafbarkeit) sind weitreichender als diejenigen einer arbeitsvertraglichen Verschwiegenheitsverpflichtung und bleiben Verstößen gegen die im Gesetz geregelten Verpflichtungen vorbehalten. Das schließt jedoch einen arbeitsrechtlichen Schutz unterhalb dieser Schwelle nicht aus. Es stellt sich damit die Frage, ob die zuvor erläuterten Nebenpflichten nach bisheriger Rechtsprechung neben dem GeschGehG Bestand haben, oder ob das GeschGehG die Geheimhaltungspflichten im Arbeitsverhältnis abschließend normiert. Wäre letzteres der Fall, so wäre der Schutz von Geschäftsgeheimnissen für den Arbeitgeber nicht zuletzt vor dem Hintergrund der hinzugekommenen Anforderung der Schaffung angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen deutlich erschwert.