Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 849
Gesetzliche Bestimmungen, die Arbeitnehmern die Nutzung von Internet und E-Mail für private Zwecke ausdrücklich erlauben, bestehen nicht. Daher richtet sich die Zulässigkeit der privaten Nutzung i.d.R. nach dem jeweiligen Arbeitsvertrag oder einer gegebenenfalls vorhandenen Betriebsvereinbarung. Häufig enthalten jedoch weder Arbeitsverträge ausdrückliche Regelungen noch bestehen entsprechende Betriebsvereinbarungen. In diesen Fällen kommt der Grundsatz zur Anwendung, dass der Internetzugang und das E-Mail-System Betriebsmittel sind, die der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern zur Erfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten zur Verfügung stellt. Da die Verfolgung privater Zwecke nicht der Erfüllung arbeitsvertraglicher Pflichten dient und der Arbeitsvertrag sie grundsätzlich nicht dazu berechtigt, Betriebsmittel ihres Arbeitgebers für eigene Zwecke zu verwenden, besteht für die Arbeitnehmer auch ohne ein ausdrückliches Verbot des Arbeitgebers kein Recht zur privaten Nutzung. Ohne Erlaubnis des Arbeitgebers stellt das Verbot der privaten Nutzung damit den Regelfall und die dennoch erfolgende private Nutzung betrieblicher IuK-Technologien eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten der Arbeitnehmer dar. Das BAG hat dies in seiner Grundsatzentscheidung vom 7.7.2005 bestätigt und ausgeführt, dass bei fehlender ausdrücklicher Gestattung oder Duldung durch den Arbeitgeber die private Nutzung des Internets unzulässig sei. Dieser Grundsatz wurde im Jahr 2016 auch durch den EGMR anerkannt.
Rz. 850
Das BAG hat seine Rechtsprechung in weiteren Entscheidungen gefestigt und im Fall der privaten Nutzung als einen Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber angesehen:
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das Herunterladen einer erheblichen Menge von Daten aus dem Internet auf betriebliche Datensysteme ("unbefugter Download"), insbesondere wenn damit einerseits die Gefahr möglicher Vireninfizierungen oder anderer Störungen des betrieblichen Systems verbunden sein kann oder andererseits von solchen Daten, bei deren Rückverfolgung es zu möglichen Rufschädigungen des Arbeitgebers kommen kann, bspw. weil strafbare oder pornografische Darstellungen heruntergeladen werden; |
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die private Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internetzugangs als solche, weil durch sie dem Arbeitgeber möglicherweise zusätzliche Kosten entstehen können und der Arbeitnehmer jedenfalls die Betriebsmittel unberechtigterweise in Anspruch genommen hat; |
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die private Internet-Nutzung während der Arbeitszeit, weil der Arbeitnehmer während des Surfens im Internet seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringt und dadurch seiner Arbeitspflicht nicht nachkommt und sie verletzt. |
Rz. 851
Eine solche verhaltensbedingte Kündigung setzt grundsätzlich eine Abmahnung voraus, insbesondere dann, wenn eine klare Regelung zum Verbot der Privatnutzung fehlt. Auch wenn der Arbeitgeber die Privatnutzung nicht ausdrücklich verboten hat, kann er nach Ansicht des BAG zur außerordentlichen Kündigung sogar ohne vorherige Abmahnung berechtigt sein, wenn der Arbeitnehmer das Internet während der Arbeitszeit in erheblichem Umfang ("ausschweifend") nutzt und damit seine arbeitsvertraglichen Pflichten erheblich verletzt.