Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 780
Nach § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG ist die Verarbeitung von Daten zur Aufdeckung von Straftaten nur zulässig, wenn der Verdacht besteht, dass der Betroffene im Arbeitsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Datenverarbeitung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Arbeitnehmers an dem Ausschluss der Verarbeitung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind. Hier sind hier die widerstreitenden Rechtsgüter abzuwägen, auf der einen Seite das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers, auf der anderen Seite die Schwere der Straftat und die Intensität des Verdachts. Das Bundesverfassungsgericht hat für den öffentlich-rechtlichen Bereich Richtlinien aufgestellt: Das Gewicht eines Eingriffs hängt davon ab, welche Inhalte von dem Eingriff erfasst werden, insbesondere welchen Grad an Persönlichkeitsrelevanz die betroffenen Daten je für sich und in ihrer Verknüpfung mit anderen aufweisen und auf welchem Wege die Inhalte erlangt werden. Grundsätzlich führt die Heimlichkeit einer Maßnahme zur Erhöhung ihrer Intensität. Voraussetzung für eine Erhebung ist, dass tatsächliche Anhaltspunkte existieren. Der konkrete Tatverdacht ist aktenkundig zu machen. Schaden, Verdächtigtenkreis sowie Indizien müssen dokumentiert werden.
Rz. 781
Präventive Compliance-Kontrollen, die nicht auf einem konkreten, personenbezogenen einfachen Anfangsverdacht einer Straftat beruhen oder Maßnahmen zur Aufdeckung von Pflichtverletzungen können nach dem BAG auf § 26 Abs. 1 S. 1 BDSG (§ 32 Abs. 1 S. 1 BDSG a.F.) gestützt werden. Das gilt vor allem für nach abstrakten Kriterien durchgeführte, keinen Arbeitnehmer besonders unter Verdacht stellende, offene, temporäre und stichprobenartige Überwachungsmaßnahmen, die der Verhinderung von Pflichtverletzungen dienen sollen und ohne die z.B. Beschränkungen der Privatnutzung von IT-Einrichtungen des Arbeitgebers nicht geahndet werden und ihre verhaltenslenkende Wirkung nicht entfalten könnten. Denn die in § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG enthaltene Sonderregelung für die Aufdeckung von Straftaten entfaltet keine spezialgesetzliche Sperrwirkung für Vorgänge, mit denen andere Compliance-Verstöße, wie z.B. Ordnungswidrigkeiten, schwere Pflichtverletzungen oder Verstöße gegen interne Regelungen, zu untersuchen sind.
Nach der Rechtsprechung des BAG ist eine Maßnahme verhältnismäßig, wenn sie:
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geeignet ist zur Zweckerreichung, |
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erforderlich ist, d.h. das mildeste aller gleich effektiven Mittel darstellt, und |
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die Persönlichkeitsrechte der von der Ermittlung betroffenen Personen angemessen berücksichtigt (Interessenabwägung). |
Für präventive Maßnahmen muss kein Anfangsverdacht nach § 26 Abs. 1 S. 2 BDSG bestehen. Auf Grund des systematischen Zusammenhangs ist jedoch auch für präventive Maßnahmen eine Verhältnismäßigkeitsprüfung geboten. Gleiches gilt für die Datenverarbeitung zur Aufdeckung von Vertragsbrüchen, die keine Straftaten sind, und Ordnungswidrigkeiten.