Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 1584
Eine Klausel, mit der sich der Arbeitgeber vorbehält, den Arbeitnehmer auch an einen anderen Arbeitsort zu versetzen, unterliegt als solche ebenfalls nicht der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Denn auch diese Versetzungsregelung stellt keine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelung i.S.d. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB dar, sondern entspricht materiell der Regelung in § 106 S. 1 GewO, wonach der Arbeitgeber auch den Ort der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen bestimmen kann.
Rz. 1585
Die Klausel ist auch weder unklar noch intransparent, auch wenn kein zulässiger Entfernungsradius aufgenommen ist. Im Übrigen hängt die Wirksamkeit einer örtlichen Versetzungsklausel maßgeblich davon ab, ob die Versetzung innerhalb des Betriebs, in einen anderen Betrieb des Unternehmens oder in ein anderes Konzernunternehmen erfolgen soll. Bisher noch nicht höchstrichterlich ist die Frage geklärt, ob der Arbeitgeber berechtigt ist, den Arbeitnehmer von seinem betrieblichen Arbeitsplatz in das Homeoffice zu versetzen.
Rz. 1586
Zur Versetzung innerhalb eines Betriebs bedarf es im Grundsatz keiner besonderen vertraglichen Regelung; eine solche innerbetriebliche Versetzung ist regelmäßig schon auf Grundlage des allgemeinen Direktionsrechts gem. § 106 GewO möglich. Das gilt auch für räumlich entfernte Betriebsteile. Zu prüfen ist, ob die Versetzung im konkreten Fall den Anforderungen der Ausübungskontrolle ("billiges Ermessen") standhält.
Rz. 1587
Auch sog. unternehmensweite Versetzungsklauseln halten einer Inhaltskontrolle gem. §§ 305 ff. BGB stand. Eine Klausel, die den Arbeitgeber berechtigt, den Arbeitnehmer auch an einem anderen Arbeitsort/Standort bzw. in einem anderen Betrieb des Unternehmens einzusetzen, ist nicht deshalb intransparent, weil weder ein maximaler Entfernungsradius noch eine angemessene Ankündigungsfrist vereinbart ist. Eine solche Konkretisierungsverpflichtung würde dem Bedürfnis des Arbeitgebers nicht gerecht, auf im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht vorhersehbare Veränderungen reagieren zu können. Die Angemessenheit der Entfernung und eine gegebenenfalls notwendige Ankündigungsfrist sind im Rahmen der Ausübungskontrolle nach § 315 BGB zu prüfen. Der Arbeitnehmer wird durch die nach § 106 GewO, § 315 BGB durchzuführende Ausübungskontrolle vor unbilliger Überforderung geschützt. Das betrifft sowohl die Frage der zulässigen Entfernung als auch die Berücksichtigung von Ankündigungsfristen. Hinzu kommen noch die nach der Betriebsverfassung zugunsten des Arbeitnehmers eingreifenden Bestimmungen, die den Arbeitgeber bei der Ausübung seines Weisungsrechts beschränken. Dazu gehören insbesondere das Mitbestimmungsverfahren nach § 99 Abs. 1 BetrVG mit dem Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats aus § 99 Abs. 2 Nr. 2 und 4 BetrVG sowie das Recht des Betriebsrats aus § 95 Abs. 2 BetrVG, die Aufstellung von Richtlinien für Versetzungen auch im Hinblick auf einzuhaltende soziale Gesichtspunkte zu verlangen. Der Umstand, dass der Gesetzgeber den Betriebspartnern einen derartigen weiten Regelungs- und Beurteilungsspielraum eingeräumt hat, spricht dafür, dass § 307 Abs. 1 S. 1 BGB keine zwingenden Vorgaben für eine Versetzungsklausel enthalten muss. Unter Berücksichtigung der in § 106 GewO und §§ 95, 99 BetrVG geregelten Besonderheiten ist die hier zu beurteilende weite örtliche unternehmensinterne Versetzungsklausel nicht als unangemessene Benachteiligung anzusehen.
Das Recht zur Versetzung kann auf bestimmte Regionen/Standorte beschränkt oder auf einen bestimmten räumlichen Entfernungsradius begrenzt werden. Außerdem kann eine maximale Höchstdauer für eine solche örtliche Versetzung vorbehalten bleiben. Eine Klausel, in der sich der Arbeitgeber die Änderung des Arbeitsorts vorbehält, kann dem Arbeitnehmer durch Vorgaben hinsichtlich der Regionen, des Entfernungsradius und der Mindestkündigungsfristen Klarheit verschaffen, innerhalb welcher Grenzen und Fristen der Arbeitgeber von seiner örtlichen Versetzungsbefugnis Gebrauch machen will. Derartige Festlegungen sind sicherlich wünschenswert, jedoch nicht zwingend zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB erforderlich.
Rz. 1588
Konzernversetzungsklauseln ermöglichen eine Versetzung zu einem anderen Unternehmen innerhalb des Konzerns. Die Versetzung in ein anderes Konzernunternehmen kann vorübergehend (ohne Arbeitgeberwechsel, sog. Abordnung, Entsendung bzw. konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung) oder dauerhaft (mit Arbeitgeberwechsel) sein.
Eine Versetzungsklausel, die eine vorübergehende Versetzung in ein anderes (Konzern-) Unternehmen ermöglicht, ist weitgehend unproblematisch. Vertragspartner bleibt der ursprüngliche Arbeitgeber. Die Versetzungsklausel sollte regeln, dass die Tätigkeit in dem anderen Unternehmen gleichwertig ist und die Vergütung in gleicher Höhe weiter zu zahlen ist.
Konzernversetzungsklauseln, die zu einem Austausch d...