Streit um dual Studierende in der Autoproduktion bei VW

VW sorgt derzeit mit einer Personalentscheidung für Schlagzeilen: Das Automobilunternehmen will als Sparmaßnahme duale Studierende nach ihrem Abschluss nicht im Verwaltungsbereich, sondern in der Montage und Produktion einsetzen. Das sorgt für reichlich Empörung von Seiten des Betriebsrats. Welche allgemeinen rechtlichen Fragen wirft der aktuelle Fall auf? Eine Einordnung.

Der Einsatz von Bachelor-Absolventen im Büro verursacht Kosten, die VW künftig reduzieren will: Per E-Mail teilte das Unternehmen den Absolventen und Absolventinnen der Jahrgänge 2025 und 2026 mit, dass sie nach ihrem Abschluss nicht in solche Stellen der Verwaltung übernommen werden, für die sie sich derzeit ausbilden. Stattdessen sollen sie zunächst ein bis zwei Jahre in dem "direkten Bereich", also der Autoproduktion, arbeiten. Nach einem Jahr können sie sich wieder für den "indirekten Bereich" in der Verwaltung bewerben. Spätestens nach zwei Jahren sollen sie dort sicher eingestellt werden. Ist die Arbeit am Band keine Option, so will das Unternehmen auf die übliche Rückforderung der Ausbildungskosten verzichten, wenn sich die Betroffenen doch für eine Stelle bei der Konkurrenz entscheiden.

Das Weisungsrecht des Arbeitgebers

Angesichts dieser Personalentscheidung drängt sich die Frage auf, ob der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern oder Arbeitnehmerinnen einseitig fachfremde Tätigkeiten zuweisen und sie hierfür in eine andere Abteilung versetzen darf. In Arbeitsverträgen finden sich häufig nur allgemeine Umschreibungen der Arbeitnehmerpflichten. Was im Tagesgeschäft genau zu tun ist, ergibt sich erst durch konkrete Anweisungen. Ausgangspunkt ist das allgemeine Weisungsrecht des Arbeitgebers (§ 106 GewO). Auf Grundlage dieses Rechts kann die Arbeitsleistung hinsichtlich Ort, Zeit und Art näher definiert werden. Es besteht auch ohne konkrete vertragliche Vereinbarung und ermöglicht dem Arbeitgeber, das tägliche Arbeitsleben zu gestalten.

Darüber hinaus finden sich in vielen Arbeitsverträgen Bestimmungen, nach welchen sich der Arbeitgeber die Möglichkeit vorbehält, seine Arbeitnehmer mit anderen Tätigkeiten und an unterschiedlichen Einsatzorten zu beschäftigen. Hierbei handelt es sich regelmäßig um Versetzungsklauseln, die dem im Arbeitsleben bestehenden Anpassungs- und Flexibilisierungsbedürfnis Rechnung tragen sollen.

Eine Versetzungsklausel kann zwar grundsätzlich vereinbart werden, sie darf jedoch nicht ohne Weiteres jegliche Versetzung innerhalb des Unternehmens umfassen. Vielmehr muss die Klausel deutlich machen, dass eine Versetzung nur für solche Tätigkeiten möglich ist, die den Fähigkeiten und Kenntnissen des Arbeitnehmers im Sinne einer "gleichwertigen Tätigkeit" entspricht.

Grenzen einer Versetzung 

In erster Linie sind die Bestimmungen des Arbeitsvertrags, der Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen sowie Vorgaben gesetzlicher Vorschriften zu beachten. Eine Versetzung, die entgegen dem arbeitsvertraglich umrissenen Pflichtenkreis ausgesprochen wird, ist in der Regel unwirksam. Dabei gilt: Je enger die Tätigkeiten individualrechtlich festgehalten sind, desto weniger Spielraum bietet das Direktionsrecht. Weiterhin sind bei einer Versetzung die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats sowie sonstige rechtliche Vorgaben wie beispielsweise Arbeitsschutzvorschriften zu beachten.

Darüber hinaus hat eine Versetzung nach billigem Ermessen zu erfolgen: Die wesentlichen Umstände des Einzelfalls müssen abgewogen werden. Dabei sind sowohl Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmerinteressen angemessen zu berücksichtigen. Diese Umstände können vielfältig sein und beispielsweise Vermögens- und Einkommensverhältnisse oder soziale Aspekte wie familiäre Verpflichtungen umfassen.

Liegt eine kurzzeitige, unternehmerische Notsituation vor, ist der Spielraum für Anweisungen in der Regel umfangreicher. Zumutbar sind regelmäßig die Übernahme von Vertretungstätigkeiten innerhalb einer organisatorischen Einheit. Anders sieht es aus, wenn eine langfristige Versetzung in völlig fachfremde Bereiche geplant ist, deren einziger Grund eine Sparmaßnahme darstellt.

Herabstufung durch Versetzung ist nicht zulässig

Die Versetzung umfasst nicht die Befugnis, den Arbeitnehmer einseitig mit einer geringwertigeren Tätigkeit zu beschäftigen, insbesondere dann nicht, wenn eine entsprechende Verringerung der Vergütung geplant ist. Auch eine berufsbildüberschreitende Weisung ist kritisch zu beurteilen. Hintergrund ist insbesondere der Schutz vor einer dauerhaften Herabstufung des Arbeitnehmers. Die einseitige Versetzung darf dabei keine Umgehung einer Vertragsänderung darstellen.

Im VW-Fall wäre eine derartige Versetzung innerhalb eines Arbeitsverhältnisses mit aller Wahrscheinlichkeit nicht möglich. Es kann jedoch nur spekuliert werden, wie die einzelnen Rechtsverhältnisse zwischen den dualen Studenten und dem Unternehmen ausgestaltet sind. Beginnt das ausbildungsunabhängige Arbeitsverhältnis erst nach dem Hochschulabschluss, so wird noch keine klassische "Versetzung" vorliegen, sodass VW seine Planänderung wohl unterbreiten durfte.

Unklar ist, ob auf Wiedereinstellungszusage wirklich Verlass ist

Der VW-Konzern will die betroffenen Absolventen spätestens nach zwei Jahren in den ursprünglich vorgesehenen Bereich der Verwaltung übernehmen und spricht in diesem Zusammenhang von Wiedereinstellungszusagen. Fraglich ist, wie eine solche Zusage ausgestaltet sein muss, um im Jahr 2027 und 2028 einen Anspruch zu gewährleisten.

Um mögliche Beweisschwierigkeiten zu umgehen, ist zunächst die Einforderung einer schriftlichen Einstellungszusage ratsam. Darin sollten die konkreten Vertragsparteien, der Einsatzbereich mit entsprechenden Arbeitsleistungen sowie der Beginn und die Art des Arbeitsverhältnisses bezeichnet werden. Nähere Angaben zu Vergütungen sind möglich, für das Zustandekommen eines Arbeitsvertrages jedoch nicht zwingend erforderlich.

Haftungsrisiken der Bachelor-Absolventen am Band

Es wird mit Sicherheit den ein oder die anderen geben, der oder die sich auf die Arbeit in der Montage und Produktion einlassen wird. Was bedeutet das für die Haftung, wenn  – jedenfalls für die Autoproduktion – nicht hinreichend qualifizierte Arbeitnehmende einen Schaden verursachen?

Innerhalb eines Arbeitsverhältnisses gilt in erster Linie das allgemeine zivilrechtliche Haftungssystem. Demnach ist jeder für sein Verhalten selbst verantwortlich und gegebenenfalls haftbar. So auch die Bachelor-Absolventinnen und -Absolventen am Band. Geht es nun speziell um einen durch den Arbeitnehmer verursachten Schaden des Unternehmens, so ist der Grundsatz der beschränkten Arbeitnehmerhaftung heranzuziehen. Die Notwendigkeit einer solchen rechtlichen Konstruktion wird in diesem Fall besonders deutlich:

Die Fahrzeugproduktion stellt ein komplexes Verfahren dar, bei der neben der Zusammenstellung eines wertvollen Endprodukts auch die Arbeit an modernen Maschinen üblich ist. Fehler sind menschlich und können gerade in diesem Bereich ein hohes Haftungsrisiko mit sich ziehen. Diese Risikofaktoren werden jedoch vor allem durch die Weisungs- und Organisationshoheit des Arbeitgebers beeinflusst, der auch wirtschaftlich von diesem Betriebsrisiko profitiert.

Aus diesen Gründen ist die Haftung des Arbeitnehmers ausnahmsweise nach dem Grad der Fahrlässigkeit zu bestimmen. Während die Haftung für leichte Fahrlässigkeit komplett ausgeschlossen ist, hat auch bei einfacher Fahrlässigkeit eine Aufteilung des Schadens, eine sogenannte Quotelung, zu erfolgen. Dabei sind wiederum die Umstände des Einzelfalls heranzuziehen, wie beispielsweise die Einsetzung fachfremder Mitarbeiter in der Montage.

Entscheidung dürfte künftige Bewerber abschrecken

Das Thema ist heikel und wird die VW-Unternehmensführung vermutlich noch eine Weile beschäftigen. Welche Konsequenzen der Betriebsrat und die Betroffenen nach dieser Personalentscheidung ziehen, bleibt abzuwarten. Jedenfalls stellt diese Sparmaßnahme keine positive Imagekampagne für künftig interessierte Bewerberinnen und Bewerber dar.


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Schlagworte zum Thema:  Direktionsrecht, Versetzung