Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
aa) Kündigung und Kündigungsschutz
Rz. 1243
Innerhalb der ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses unterliegt dieses noch nicht dem allgemeinen Kündigungsschutz, Umkehrschluss aus § 1 Abs. 1 KSchG. Somit ist eine ordentliche Kündigung in diesem Zeitraum im Allgemeinen unproblematisch. Nach Ablauf von sechs Monaten bedarf eine Kündigung der sozialen Rechtfertigung nach § 1 Abs. 2 KSchG, vorausgesetzt, das Kündigungsschutzgesetz ist anwendbar (Beschäftigung von regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmern i.S.d. § 23 Abs. 1 KSchG).
bb) Kündigungsfristen
Rz. 1244
Die gesetzliche Kündigungsfrist für die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses beträgt vier Wochen zum 15. oder zum Ende des Kalendermonats, § 622 Abs. 1 BGB.
Während einer vereinbarten Probezeit, maximal für die Dauer von sechs Monaten, beträgt die Kündigungsfrist jedoch nur zwei Wochen, § 622 Abs. 3 BGB. Ein Kündigungstermin ist nicht einzuhalten. Voraussetzung für die Anwendung der verkürzten Kündigungsfrist ist, dass eine Probezeit vereinbart ist.
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Die verkürzte Zwei-Wochen-Kündigungsfrist gilt typischerweise in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis mit vorgeschalteter Probezeit. |
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Ist in einem befristeten Probearbeitsverhältnis die ordentliche Kündigung vorbehalten, § 15 Abs. 3 TzBfG, soll ebenfalls die kurze Kündigungsfrist von zwei Wochen gemäß § 622 Abs. 3 BGB gelten. |
Rz. 1245
Arbeitgeber und Arbeitnehmer können auch für die Dauer der Probezeit eine längere Kündigungsfrist vereinbaren, jedoch keine kürzere Kündigungsfrist. Nur die Tarifvertragsparteien können die Kündigungsfrist während der Probezeit abkürzen (§ 622 Abs. 4 BGB), und im Geltungsbereich eines Tarifvertrages können die Arbeitsvertragsparteien dann durch Bezugnahme auf den Tarifvertrag die kürzeren Kündigungsfristen zur Geltung bringen (§ 622 Abs. 4 S. 2 BGB).
Überschreitet die Probezeit die Dauer von sechs Monaten, so verlängert sich – auch noch in der sogenannten "Probezeit" – die Kündigungsfrist gemäß § 622 Abs. 1 BGB auf vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats.
cc) Anhörung Betriebsrat
Rz. 1246
Existiert im Betrieb ein Betriebsrat, so ist dieser vor Ausspruch der Kündigung anzuhören und ihm sind die Gründe für die Kündigung mitzuteilen, § 102 BetrVG. Die Anhörung des Betriebsrats und Mitteilung der Kündigungsgründe ist formale Wirksamkeitsvoraussetzung für jede Kündigung.
Hinweis
Die Anhörungspflicht besteht – entgegen einem verbreiteten Irrtum auf Arbeitgeberseite – auch bei einer Kündigung während der Probezeit, also wenn das Arbeitsverhältnis noch gar nicht unter das Kündigungsschutzgesetz fällt. Ohne ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats ist die Kündigung formal unwirksam.
Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat jeweils diejenigen Gründe mitteilen, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und für seinen Kündigungsentschluss maßgebend sind. Wenn es um eine Kündigung eines Arbeitsverhältnisses geht, für welches (noch) kein Kündigungsschutz besteht, so ist die Substantiierungspflicht gegenüber dem Betriebsrat nicht an den Merkmalen der (noch) nicht erforderlichen Kündigungsgründe (etwa: soziale Rechtfertigung im Sinne des § 1 KSchG), sondern daran zu messen, welche Umstände oder subjektiven Vorstellungen zum Kündigungsentschluss geführt haben. Hat der Arbeitgeber keine Gründe oder wird sein Kündigungsentschluss allein von subjektiven, durch Tatsachen nicht belegbaren Vorstellungen bestimmt, so reicht die Unterrichtung über diese Vorstellungen aus.
Dabei soll es bei einer Probezeitkündigung ausreichen, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat seine subjektiven Wertungen mitteilt, die ihn zur Kündigung veranlassen.