Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 1449
Eine Tantieme ist echter Vergütungsbestandteil und damit in ihrem Bestand ausschließlich von der Arbeitsleistung innerhalb des Bezugszeitraums abhängig (vgl. auch Rdn 712 ff.). Die Bindung der Tantiemezahlung an eine bestimmte Beschäftigungsdauer oder an den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den Bezugszeitraum hinaus ist daher unzulässig, ebenso eine Vereinbarung dahingehend, dass der Tantiemeanspruch bei unterjährigem Ausscheiden gänzlich entfällt (aber zur Ausgestaltung von Stichtagsregelungen vgl. Rdn 1395 ff.). Scheidet der Arbeitnehmer vor Ablauf des Bezugszeitraums aus dem Arbeitsverhältnis aus, kann ihm daher eine zeitanteilige Leistung zustehen. Deren Bestimmung erfolgt im Zweifel anhand des am Ende des Geschäftsjahres angefallenen Jahresüberschusses und nicht anhand des sich zum Zeitpunkt des tatsächlichen Ausscheidens ergebenden (anteiligen) Überschusses. Ist der Arbeitnehmer demgegenüber während des vollen Leistungszeitraums arbeitsunfähig erkrankt, ohne dass ihm ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung zusteht, so entfällt auch der Tantiemeanspruch. Auch der Vorbehalt einer Dividendenausschüttung für die Zahlung der Tantieme ist nicht unangemessen benachteiligend. Schließlich ist es aber auch zulässig, eine Tantiemevereinbarung mit mehrjährigem Bezugszeitraum zu wählen, die bei vorzeitigem Ausscheiden des Arbeitnehmers den Tantiemeanspruch vollständig entfallen lässt.
Rz. 1450
Im Falle einer Freistellung des Arbeitnehmers gehört der Tantiemeanspruch grds. zu der gem. § 615 S. 1 BGB fortzuzahlenden Vergütung, deren Höhe in Ermangelung anderweitiger Anhaltspunkte erforderlichenfalls gem. § 287 ZPO richterlich zu schätzen ist. Denkbar ist jedoch auch, für Zeiten der Freistellung lediglich die Fortzahlung der Festvergütung zu vereinbaren. Die Zulässigkeit einer solchen Regelung ist bislang nicht abschließend geklärt. Im Hinblick auf die grundsätzliche Abdingbarkeit des § 615 S. 1 BGB ist davon auszugehen, dass die individuelle Regelung der Vergütung für Zeiten der Freistellung grds. zulässig ist. In Formularverträgen ist allerdings das Verbot unangemessener Benachteiligung (§ 307 Abs. 1 BGB) zu beachten. Bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Interessenabwägung ist aus Arbeitgebersicht zu berücksichtigen, dass eine erfolgsabhängige Vergütung ihren Zweck in einem Zeitraum, in dem der Arbeitnehmer objektiv nichts zu dem Erfolg beigetragen hat, nicht erreichen kann. Aus Arbeitnehmersicht kann dies jedoch insbesondere bei langen Kündigungsfristen auch dann zu empfindlichen Gehaltseinbußen führen, wenn der Arbeitnehmer zu der Freistellung keinen Anlass gegeben hat. Weiter ist zu bedenken, dass die Freistellungsregelung keine unzulässige Umgehung des KSchG dahingehend beinhalten darf, dass ungeachtet des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses die Vergütungspflicht entfällt. Insoweit ist der Ausschluss der Gewinnbeteiligung für Zeiten der Freistellung allenfalls dann als zulässig anzusehen, wenn die Tantieme nicht mehr als 25 % der Gesamtvergütung ausmacht; anderenfalls greift die Entgeltabsenkung unzulässig in den Kernbereich der wechselseitigen Vertragspflichten und damit in den kündigungsrechtlich geschützten Bereich ein.