Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 1710
Bei einem Verstoß des Arbeitnehmers gegen sein vertragliches Wettbewerbsverbot kann der Arbeitgeber – wie dargestellt – Schadensersatz-, Unterlassungsansprüche sowie das Eintrittsrecht bzw. den Herausgabeanspruch geltend machen. Besonders hinsichtlich des Schadensersatzanspruches dürfte es dem Arbeitgeber regelmäßig schwerfallen, den konkreten Schaden und vor allem die Kausalität darzulegen. Vor diesem Hintergrund bietet sich die Vereinbarung einer selbstständigen – von diesen Beweisfragen unabhängigen – Vertragsstrafe an. Das BAG hält Vertragsstrafen, die bestimmte Eigentums- oder Vermögensverletzungen sanktionieren, dem Grunde nach für zulässig. Vertragsstrafen stellen ein effektives Mittel dar, um den Arbeitnehmer an einem Verstoß zu hindern. Auch kann sie das Arbeitgeberbedürfnis nach einem gewissen Schadensersatz befriedigen.
Rz. 1711
Bei Vertragsstrafenabreden in Arbeitsverträgen handelt es sich in aller Regel um allgemeine Geschäftsbedingungen. Sie müssen daher der gesetzlichen AGB-Kontrolle standhalten. Bei der Ausgestaltung von Vertragsstrafenabreden ist deshalb besondere Vorsicht geboten. Vertragsstrafenabreden unterfallen zwar nicht dem strikten Verbot des § 309 Nr. 6 BGB, weil die Besonderheiten des Arbeitsrechts (§ 310 Abs. 4 S. 2 BGB) eine Einschränkung gebieten. Denn anders als bei anderen Austauschverträgen besteht beim Arbeitsvertrag nicht die Möglichkeit, den Anspruch auf die Hauptleistung (Arbeitsleistung) zu vollstrecken (§ 888 Abs. 3 ZPO). Die Vertragsstrafe kann aber beispielsweise wegen ihrer Höhe unangemessen und daher nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam sein. Nach aktueller Rechtsprechung wird eine Vertragsstrafe von einem Bruttomonatsgehalt jedenfalls als wirksam angesehen. Eine Klausel, die eine Vertragsstrafe für jeden Pflichtverstoß innerhalb eines Rahmens von einem bis drei Monatsgehältern vorsieht, hielt der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB hingegen nicht stand.
Rz. 1712
Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Vertragsstrafe müssen so genau beschrieben sein, dass aus Sicht des Arbeitnehmers keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume bestehen. Eine Klausel, die vermeidbare Unklarheiten und Spielräume enthält, verletzt das Transparenzgebot und stellt somit eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers gemäß § 307 BGB dar. Ein Verweis auf ein Entgelt für einen bestimmten Zeitraum ist nur möglich, wenn dieses genau und eindeutig bezifferbar ist. Das BAG hat deshalb eine Klausel mit folgendem Wortlaut für unwirksam erklärt: "Im Falle einer dauerhaften Verletzung des Wettbewerbsverbots gilt jeder angebrochene Monat als eine erneute Verletzungshandlung". Es ist daher hohe Sorgfalt geboten, um sowohl die Pflichtverletzung als auch die zu leistende Strafe ihrer Höhe nach so präzise wie möglich zu bestimmen.
Rz. 1713
Außerdem darf die Klausel nicht überraschend im Sinne von § 305c BGB sein. Vertragsstrafen sind in vielen Arbeitsverträgen enthalten, so dass sie nicht per se überraschend sind. Allerdings kann sich ein Überraschungseffekt ergeben, wenn die Vertragsstrafe an einer unerwarteten Stelle geregelt ist. Deshalb erscheint es sinnvoll, die Vertragsstrafe im unmittelbaren Anschluss an die strafbewehrte Vertragsverletzung zu regeln.
Rz. 1714
Die Folgen eines Verstoßes gegen § 307 BGB sind gravierend. Eine geltungserhaltende Reduktion der unwirksamen Vertragsstrafenklausel ist ausgeschlossen. Es gilt auch hier das "alles oder nichts-Prinzip". Damit verbleibt es im Falle einer unwirksamen Vertragsstrafenabrede bei den gesetzlichen Regelungen, unter denen der Arbeitgeber allenfalls Schadensersatzansprüche geltend machen könnte. Hierfür bedarf es aber der substantiierten Darlegung des Schadens sowie der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden. Ist die Vertragsstrafe dagegen individuell ausgehandelt und liegt daher keine AGB vor, kann eine zu hohe Vertragsstrafe gemäß § 343 BGB angemessen herabgesetzt werden.