Peter Kiesgen, Dr. iur. Jan Grawe
Rz. 724
Provisionsvorschüsse sind grds. zurückzuzahlen, wenn und soweit die tatsächlich verdienten Provisionen (bzw. deren Summe) die Provisionsvorschüsse (bzw. deren Summe) nicht erreichen. Dies ergibt sich auch ohne vertragliche Vereinbarung aus §§ 812 ff. BGB; derjenige, der Geld als Vorschuss erhalten hat, ist verpflichtet, den Vorschuss als ungerechtfertigte Bereicherung zurückzuzahlen, wenn und soweit die bevorschusste Forderung nicht entstanden ist. Die Rückforderung der überzahlten Provisionsnettobeträge kann der Arbeitgeber entweder – selbstredend unter Beachtung der Pfändungsfreigrenzen – durch Aufrechnung gegen Gehaltsansprüche des Arbeitnehmers oder durch Geltendmachung eines Anspruchs auf Entgeltrückzahlung realisieren. Dabei hat der Arbeitgeber die ungerechtfertigte Bereicherung des Arbeitnehmers, d.h. konkret, darzulegen, für welches Geschäft ein Provisionsvorschuss in welcher Höhe gezahlt wurde, inwieweit es nicht zur Leistung des Kunden gekommen ist und welche Auswirkungen dies nach welchen vertraglichen Vereinbarungen der Parteien auf den Provisionsanspruch des Vermittlers hat; im Gegenzug hat der Arbeitnehmer die Entstehung des bevorschussten Provisionsanspruchs darzulegen und zu beweisen. Eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung besteht für Provisionsansprüche, die aufgrund unterbliebener Durchführung des Geschäfts nachträglich entfallen sind, ohne dass die Nichtdurchführung vom Arbeitgeber zu vertreten war (§ 87a Abs. 3 S. 2 HGB analog). Eine vertragliche Regelung der Rückzahlungspflicht unterliegt deshalb nicht der Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 3 S. 1 BGB, da es sich nicht um eine von Rechtsvorschriften abweichende Vereinbarung handelt. Allerdings muss sich aus der Vereinbarung hinreichend klar ergeben, dass lediglich ein Provisionsvorschuss, nicht hingegen eine (wenn auch anrechenbare) Mindestprovision gezahlt wird.
Zu berücksichtigen ist, dass sich die Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers grundsätzlich nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen richtet; dies ermöglicht den Einwand der Entreicherung des erstattungspflichtigen Arbeitnehmers gem. § 818 Abs. 3 BGB, dessen Abbedingung zwar individualvertraglich möglich ist, im Rahmen eines Formularvertrages jedoch Zweifeln begegnet. Eine vom Bereicherungsrecht unabhängige Rückzahlungsverpflichtung ergibt sich aus § 87a Abs. 2 Hs. 2 HGB analog i.V.m. §§ 346 ff. BGB nur für den Fall, dass der Provisionsanspruch bereits mit Ausführung des Geschäfts durch den Arbeitgeber entstanden ist und sodann feststeht, dass der Kunde seinerseits nicht zahlt. Eine entsprechende Anwendung des § 87a Abs. 2 Hs. 2 HGB entfällt in anderen Fällen der Rückzahlungsverpflichtung, da diese Vorschrift nur das besondere Risiko des vorleistungspflichtigen Arbeitgebers ausgleichen soll. Es bietet sich deshalb an, die Rückzahlungsverpflichtungen des Arbeitnehmers ausdrücklich in die Provisionsvereinbarung aufzunehmen, um eine vom Bereicherungsrecht unabhängige vertragliche Anspruchsgrundlage zu schaffen.