Martin Brock, Dr. Katja Francke
Rz. 1570
Versetzungs-/Änderungsvorbehalte in Standardarbeitsverträgen sind zulässig, soweit sie einer Inhaltskontrolle gem. §§ 305 ff. BGB standhalten.
Unter Berücksichtigung der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten (§ 310 Abs. 4 S. 2 BGB) bestehen gegen die Angemessenheit einer Versetzungsklausel zur Zuweisung anderer Aufgaben an den Arbeitnehmer zunächst keine Bedenken. Denn die Versetzungsklausel trägt dem Bedürfnis nach einer möglichst unkomplizierten Anpassung der Arbeitsbedingungen an geänderte, nicht immer vorhersehbare und oft nicht zu beeinflussende Rahmenbedingungen Rechnung. Außerdem erhält der Arbeitnehmer für die von ihm erwartete Flexibilität eine gewisse "Gegenleistung" in Form einer stärkeren Sicherung seines Arbeitsverhältnisses im Fall betriebsbedingter Kündigung (siehe dazu Rdn 1579 ff.).
Im Einzelfall kann eine Versetzungsklausel überraschend sein. Sie wird dann gemäß § 305c BGB nicht Inhalt des Arbeitsvertrages. Dies ist der Fall, wenn die Regelung nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild so ungewöhnlich ist, dass der Arbeitnehmer mit ihr nicht zu rechnen brauchte. Das Überraschungsmoment kann sich etwa aus der Unterbringung an unerwarteter Stelle unter einer irreführenden Überschrift und ohne drucktechnische Hervorhebung ergeben. In einem typischen Arbeitsvertrag dürfte eine Versetzungsklausel jedoch kaum überraschend sein.
§ 308 Nr. 4 BGB (Unwirksamkeit eines Änderungsvorbehalts) ist auf Versetzungsklauseln jedoch nicht anzuwenden. Die Vorschrift betrifft nur das Recht des Verwenders – also des Arbeitgebers – seine eigene Leistung zu ändern, nicht jedoch die Gegenleistung.
Im Übrigen weicht die Versetzungsklausel nicht von einer gesetzlichen Regelung ab, sondern ist materiell § 106 S. 1 GewO nachgebildet und steht unter dem Vorbehalt der Wahrung der Interessen des Arbeitnehmers ("billiges Ermessen"). Mangels einer "abweichenden" Regelung ist eine Versetzungsklausel also nicht auf ihre Angemessenheit hin zu kontrollieren.
Rz. 1571
Die Versetzungsklausel unterliegt aber der Unklarheitenregelung des § 305 Abs. 2 BGB sowie der Transparenzkontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Uneingeschränkt kontrollfähig ist eine Klausel, mit der sich der Arbeitgeber nicht nur die Konkretisierung der Arbeitspflichten vorbehält, sondern weitergehend eine Änderung der vertraglichen Tätigkeit als solcher und sich damit ein über § 106 GewO hinausgehendes Recht zur Vertragsänderung vorbehält. Zwar müssen die in Betracht kommenden Tätigkeiten nicht festgelegt werden, jedoch muss die Klausel gewährleisten, dass die "neue" Tätigkeit mit der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit inhaltlich gleichwertig ist.
Beispiele
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Eine vorformulierte Klausel, nach welcher ein Arbeitgeber eine andere als die vertraglich vereinbarte Tätigkeit einem Arbeitnehmer "falls erforderlich" und nach "Abstimmung der beiderseitigen Interessen" einseitig zuweisen kann, ist jedenfalls dann als unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 BGB anzusehen, wenn nicht gewährleistet ist, dass die Zuweisung eine mindestens gleichwertige Tätigkeit zum Gegenstand haben muss. |
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Die Klausel "Soweit betrieblich erforderlich, kann der Arbeitnehmer auch in anderen Betriebsabteilungen mit anderen Tätigkeiten beschäftigt werden" weicht erheblich von dem Grundgedanken des arbeitsrechtlichen Inhaltsschutzes nach Maßgabe des § 2 KSchG ab, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist daher nach § 307 BGB unwirksam. |
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Eine Klausel, die den Arbeitgeber berechtigt, den Arbeitnehmer "entsprechend seinen Leistungen und Fähigkeiten" mit einer anderen im Interesse des Unternehmens liegenden Tätigkeit zu betrauen, ist wirksam. Denn das Direktionsrecht steht dem Arbeitgeber nur unter dem Vorbehalt der Beachtung der Interessen des Arbeitnehmers zu (Zuweisung entsprechend den Leistungen und Fähigkeiten). Somit kann sich der Arbeitgeber, wie es auch § 106 S. 1 GewO verlangt, bei der Ausübung des Direktionsrechtes aufgrund der Zuweisungsklausel nicht allein von seinen Interessen leiten lassen, sondern hat einen angemessenen Ausgleich der beiderseitigen Interessen vorzunehmen. |
Die Festlegung konkreter Versetzungsgründe in der Versetzungsklausel ist nicht erforderlich. Dies soll kein Verstoß gegen das Transparenzgebot gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB sein. Die in Betracht kommenden Versetzungsgründe (persönliche, verhaltensbedingte oder betriebsbedingte Gründe oder "aus wichtigem Grund") wären ihrerseits als unbestimmte Rechtsbegriffe wieder auslegungsbedürftig. § 106 GewO sowie entsprechende Versetzungsklauseln tragen dem im Arbeitsrecht bestehenden spezifischen Anpassungs- und Flexibilisierungsbedürfnis Rechnung. Der Arbeitsvertrag bedarf als Dauerschuldverhältnis einer ständigen, bei Vertragsschluss gedanklich nicht vorwegnehmbaren Anpassung. Die Einflussfaktoren sind im Arbeitsrecht so zahlreich und vielgestaltig, dass gesicherte Prognosen kaum möglich sind. Eine Konkretisierungsverpfli...